Festivals
Explosionsmotoren oder Warum Festivals?
Der Intendant der Berliner Festspiele erinnert daran, was Festivals anderen Produktions- und Präsentationsformen voraus haben
von Thomas Oberender
Erschienen in: Theater der Zeit: Blackfacing (10/2014)
Festivals gelten gemeinhin als Unterbrechung im Jahreskalender – als herausgehobene Tage, die Sonderzeiten im Jahr schaffen: lange Nächte, Tage oder gar Wochen, die eine Art Stromschnelle im kontinuierlichen Ereignisfluss des Kulturlebens bilden. Im Festival fokussiert sich das vielfältige Geschehen plötzlich auf einen klar benannten Schwerpunkt hin. Mehr noch: Im Festival erobert sich das Spielgeschehen oft neue, ungewohnte Räume. Die Erlebnisform von Kunst ändert sich, die Zusammensetzung des Publikums, aber auch unser Begriff und Kenntnisstand von Kunst wird erweitert. Festivals dienen dem Austausch, das zuallererst, und haben mindestens zwei implizite Versprechen: das konzeptionell und ästhetisch Außerordentliche zum einen und eine gemeinschaftsbildende Funktion zum anderen.
Festivals bilden die kontinuierliche Ausnahme von der Regel, wenn man als Regel die saisonalen Programme der Orchester- und Theaterhäuser nimmt. Obgleich das Phänomen „Festival“ neu wirkt, sprach man bereits in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg von einer Festivalschwemme. Ich vermute, dass die großen Festivalgründungswellen mit historischen Zeiträumen korrelieren, die von der Diversifizierung politischer Mächte und dem Entstehen neuer sozialer Ordnungen geprägt sind. Viele der heute „klassischen“ Festivals – damals vor allem als Festspiele gegründet – sind in den Jahren nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg entstanden, so etwa die Salzburger Festspiele und Breisach, ab den 1940er...