Die 1960er und 1970er Jahre
Wole Soyinka: Kunst in der politischen Unabhängigkeit
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Mit der Erringung der politischen Unabhängigkeit fast aller Länder Afrikas Anfang der 1960er Jahre fielen auch die Grenzen (Tabus), die die Kulturpolitik der Kolonialmächte den modernen afrikanischen Künsten gezogen hatte, weg. Das seit dem ersten Drittel entstandene literaturbasierte/dramatische Theater der gebildeten Eliten, das als konstruktive antikoloniale kulturelle Selbstbehauptung die eigene Geschichte Afrikas und speziell seiner Kulturen groß ausstellt, brauchte jetzt nicht mehr die ganze Realität der imperialistischen Unterwerfung eines ganzen Kontinents zu verschweigen. Nicht nur das. Gleichsam in der Tradition der ironisch offenen, kritischen Haltung vormoderner theatraler Praktiken verhandelte es jetzt, vornehmlich kritisch engagiert, grundlegende Probleme der gegenwärtigen Realtitäten. In Raumkonturen und mit Mitteln des europäischen Theaters arbeitend und afrikanische Darstellungstechniken (re-)aktivierend, dürften moderne afrikanische Theaterformen beispielhaft für eine global transkulturelle (interkulturelle) Kunst sein, um die sich dann ab den 1970er Jahren Regisseure und der Kunstdiskurs in den alten Kolonialmächten intensiv bemühen sollten.
Während sich in Südafrika das im weiten Sinne politische Theatermachen auf die Offenlegung der inhumanen Praktiken des Apartheidregimes und des kreativen Widerstands dagegen konzentrierte, suchte das Theater der modern gebildeten Eliten in den jetzt politisch unabhängigen Ländern desillusioniert repressive Machtkonstellationen und die tiefen soziokulturellen Widersprüche und Konflikte innerhalb der eigenen, sich vor allem kapitalistisch formierenden Gesellschaften zu...