Kommentar
Berliner Ensemble 2017 oder Klaus Wowereit telefoniert
von Thomas Wieck
Erschienen in: Theater der Zeit: Feuer und Eis – Theater im ostsibirischen Jakutsk (01/2015)
Assoziationen: Debatte Berlin Akteure Berliner Ensemble
Das Berliner Ensemble, Bertolt Brechts und Helene Weigels Kreation, war ursprünglich ein Ensemble ohne Haus, aber mit einem klaren, selbstgestellten Auftrag: die deutsche Theaterkunst und, in ihrem Zentrum, die Schauspielkunst zu erneuern, denn: „Das Poetische war ins Deklamatorische entartet, das Artistische ins Künstliche, Trumpf war Äußerlichkeit und falsche Innigkeit. Anstatt des Beispielhaften gab es das Repräsentative, anstatt der Leidenschaft Temperament.“ (Brecht) Hinter dem Begriff „Berliner Ensemble“ stand der Gedanke, frei vom kapitalistischen Verwertungszwang eine experimentell zu erarbeitende Ästhetik im Dialog mit Zuschauern, die sich zu einem Publikum konstituieren, auszuformulieren und fortwährend zu erfrischen. „Man muss merken, dass da viele Künstler als ein Kollektiv (Ensemble) an der Arbeit sind, Geschichten, Ideen, Kunststücke gemeinsam dem Publikum zu übermitteln.“ (Brecht). Das BE war beispiellos in Deutschland, in Ost und West gleichermaßen, es war der Stachel im managerial geführten und kulturbürokratisch fundierten Stadttheatersystem, weshalb es jedoch, koste es, was es wolle, in dieses System zurückexpediert werden musste. Es kostete viel, bis endlich Claus Peymann diese Aufgabe für den Senat in einem ersten großen Schritt anging. Im Herbst 2014 folgte der ultimative Schritt. Klaus Wowereit griff zum Telefonhörer – in welch trüber Stunde wohl, und wer hielt ihm den Hörer, um auszureißen den Stachel? –,...