Magazin
Die Großzügige
Ein Nachruf auf die Schauspielerin Miriam Goldschmidt
von Peter Brook
Erschienen in: Theater der Zeit: Götterdämmerung – Polen und der Kampf um die Theater (10/2017)
Assoziationen: Akteure
Nie hat es jemanden gegeben, nie wird es jemanden geben, der Miriam Goldschmidt gleicht. Ihr Leben auf der Bühne hat stets Tragödie und Komödie ineinander verwoben, wie im Alltag, zu Hause oder auf der Straße. Immer waren das Helle und das Dunkel in ihrem Leben gleichzeitig da. Sie hat die Clownerie geliebt, und die Trauer des Clowns war ein Teil von Miriams faszinierender Ausstrahlung. Für Miriam bedeutete Leben Improvisation. Und Improvisation war ihre bevorzugte Art des Spiels.
Sie hatte Anteil an den ersten Experimenten des Centre International de Recherche Théâtrale. Sie spielte improvisierend sowohl in Supermärkten in Paris wie in afrikanischen Dörfern, und diese Qualität ihrer Schauspielkunst war auch präsent in einem Stück wie „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett, das ich mit ihr in Basel inszenierte.
Es war für sie eine harte Probe, beim Text Becketts zu bleiben. Stets wollte sie aus dem Haufen, in dem sie saß, heraus und zu den Zuschauern gehen.
Ihr letztes Werk war „Warum Warum“, ein Stück, in dem sie zurück auf ihre lange Karriere sah und sich selbst fragte: „Warum? Warum?“ Doch wie immer die Antwort lauten mag, Miriam kannte keine Eifersucht, keine Rivalität. Ihre Großzügigkeit galt allen Menschen. Auf der Straße gab sie,...