Herr Yildiz, nach Ihrem Vorwurf an Ruhrtriennale-Intendant Johan Simons, er suche mit seinem „Accattone“ in Dinslaken bloß nach dem Spektakel, hat es einige Vermittlungsversuche gegeben: Diskussionen, öffentliche Proben, ein großes Gespräch in der Welt. Sind Sie jetzt befriedet?
Nein, natürlich nicht. Johan Simons hat versprochen, im dritten Jahr wiederzukommen. Aber meine Kritik an der Kunst bleibt bestehen. Sie ist die letzte Bastion der Freiheit. Nur hat sie sich im Laufe der letzten vierzig, fünfzig Jahre zur Mätresse des Systems gemacht. Ich finde das grausam, das einfach so herzugeben. Vielleicht bräuchte es tatsächlich eine Wiedergeburt der Situationistischen Internationale. Darüber denke ich ernsthaft nach. Zumindest eine Kunst mit einem grundsätzlicheren Widerstand.
Haben Sie diesen Moment des Widerständigen im Theater in letzter Zeit mal erlebt?
Im Grunde sind viele Theaterstücke erst mal gegen das System. Aber sie sind gefangen, wie die Ruhrtriennale: im Business. Der Kern des Problems ist, das fehlende Element zu finden, the missing link. Warum ist letztlich auch die Situationistische Internationale untergegangen? Sie machte Kunst, kritisierte das System, den Wirtschaftsliberalismus, was Simons mit „Accattone“ ja auch tut, aber es fehlte das wichtigste Element: die Brücke zum Proletariat, zu den Menschen. Man redet über sie, aber nicht mit ihnen....