Inszenierung
Mast & Master
„The Paper People Paradox“ von Johannes Böhringer
von Jörg Baesecke
Erschienen in: double 49: Das Ding mit dem Körper – Zeitgenössischer Zirkus und Figurentheater (04/2024)

Auf der Bühne des Münchner Theaters HochX steht eine große Stange, drei Meter hoch und gehalten von vier gespannten Seilen. An der Spitze eine tellergroße Plattform: ein Tiny pole, ein verkürzter Chinesischer Mast, so der Fachbegriff in der Artistik.
Dazu Papierfiguren, die nach und nach ihren Auftritt haben, in ansteigender Größe, von 30 cm bis 5,50 m. Geschnitten aus Packpapier, schlicht geformt, in der Art von Girlandenmännchen.
Dann: Johannes Böhringer, der Artist. Ausgebildet an der Codarts Zirkusschule in Rotterdam, mit dem Chinese Pole als Hauptfach. In München unterrichtet er Sport- und Gymnastiklehrer:innen und er arbeitet bei Kinder- und Jugendzirkusprojekten mit. Eine große Gruppe von Jugendlichen, künftigen Kolleg:innen vielleicht, besucht die Vorstellung, sie staunen und jubeln. Zu Recht. Es ist gekonnt, was da zu sehen ist.
Nun sind artistische und akrobatische Nummern in Zirkus oder Varieté so um die zehn Minuten lang, wohl mit Blick auf die Variationsbreite des Gezeigten und die physische Anstrengung bei der Präsentation. „The Paper People Paradox“ aber dauert eine knappe Stunde – das Theater erlaubt eben längere Spannungsbögen. Und hier kommen die Papierfiguren ins Spiel.
Die erste, die kleinste, wird auf offener Bühne ausgeschnitten. An Figurentheater, so sagt der Artist im Gespräch, habe er dabei nie...