Vor dem Zusammenbruch der von den USA unterstützten afghanischen Regierung Mitte August dieses Jahres gab es in den USA praktisch kein Interesse an Afghanistan. Die Google-Suchanfragen waren über ein Jahrzehnt lang gleichbleibend: nie ganz null, aber um den Nullpunkt herum pendelnd, mit gelegentlichen Ausschlägen während des Truppenaufmarsches 2009, angeführt vom damals neuen Präsidenten Barack Obama, und nach dem Abwurf der „Mutter aller Bomben“, des größten nichtnuklearen Sprengkörpers des US-Arsenals, auf Tunnelsysteme des sogenannten IS im April 2017 durch den damals neuen Präsidenten Donald Trump. Keine Spur von Interesse im November 2020, als Trump ankündigte, dass er die US-Streitkräfte abziehen würde. Und keine öffentliche Resonanz im April 2021, als der neue Präsident Joe Biden verkündete, dass er sich für einen Truppenabzug einsetzt und dass dieser bis zum 20. Jahrestag des 11. Septembers abgeschlossen sein soll.
Am 11. September 2001 war ich ein frisch eingeschriebener Student, der in linken Organisationen wie Amnesty International aktiv war. Ich erinnere mich, dass ich dem Afghanistan-Einmarsch durch den damaligen Präsidenten George W. Bush, der im Oktober begann, ambivalent gegenüberstand. Ich war unschlüssig: Ich wusste, dass die Sowjetunion bei der Besetzung Afghanistans gescheitert war, und ich misstraute Bush. Doch ich wusste auch aus den Briefkampagnen von Amnesty,...