Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald.“ Dieser Ausspruch Martin Kippenbergers könnte für das zweite Bild in Maxim Didenkos „Tschapajew und Pustota“, einem Jahrhunderttrip durch die russische Geschichte, als Vorlage gedient haben. Drei Männer in hellen Gewändern laufen in Zeitlupe um in der Bühnenmitte gestapelte Neonröhren, dahinter befinden sich Baumstümpfe, hell bemalt. Ein Lagerfeuer im Birkenwald im Stile der Minimal Art, umgeben von einem nach vorne geöffneten gelben Raum, der sich beim zweiten Hinsehen als Weichzelle erweist, wie sie in psychiatrischen Einrichtungen Verwendung findet. Eine vierte Person, verborgen unter einer buddhistischen Maske, folgt den anderen. Diese haben sich ordentlich was eingeschmissen und verlieren sich in drogeninduzierten Gesprächen. Es beginnt mit der Suche nach dem ewigen Kick. Doch schnell verfangen sich die drei in den Untiefen neuzeitlicher Mystik, in Dostojewski’scher Manier geht es um Religion, Erlösung, aber auch Stalin, den Gulag. Die eigene Psychologie wird mit dem Vokabular eines Militärputsches erkundet, der Feind ist der „innere Bulle“. Der Philosoph Immanuel Kant nannte das Gewissen den inneren Gerichtshof, Friedrich Nietzsche sah darin – ähnlich wie der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud – vor allem internalisierte Schuld, zur Neurose gesteigerte Schwäche, die moralische Fixierung gesellschaftlicher Zwänge im Über-Ich, von...