Die deutschsprachige Erstaufführung von „Eine kurze Chronik des künftigen Chinas“ des Hongkonger Autors Pat To Yan mutet in gleich doppelter Weise irreal an: zum einen, weil sie – nach voriger Testung der Besucherinnen und Besucher – tatsächlich live am Saarländischen Staatstheater stattfindet, zum anderen, weil sie von einem dystopischen Raum erzählt, in den uns der Regisseur Moritz Schönecker geradewegs hineinkatapultiert. Zu Beginn blicken wir auf sich am Boden windende Menschen in Schutzanzügen. Erst mit dem „Mann aus der Zukunft“ findet ihr zombieskes Dasein ein vorläufiges Ende. Nachdem dieser uns ankündigt, nie mehr Musicals anschauen zu wollen, berichtet eine Frau vom Albtraum einer Gruppenvergewaltigung durch Regierungsbeamte. Was sich vor unseren Augen abspielt, beruht auf keiner Ursache-Wirkung-Logik, sondern entspringt einer bizarren Vorstellungswelt. „Es ist das Ende des Realismus“, wie man uns mitteilt.
Daher lässt sich das pathetisch grundierte Stück auch nicht allein, wie der Titel suggeriert, auf das freiheitsfeindliche System Chinas beziehen. Es erhebt den Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Beschrieben wird eine vom Hyperfortschritt getriebene Gesellschaft. Wir begegnen sowohl Robotern, die uns Empathie vorheucheln, als auch jener Frau, die ihnen vermeintliche Erinnerungen eingepflanzt hat und sich aufgrund ihres öffentlichen Geständnisses auf der Flucht befindet. Als wäre die Regentschaft der Maschinen nicht schon genug...