Die Fähigkeit zur Kooperation
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Für den Primatenforscher, Entwicklungs- und Kulturpsychologen Michael Tomasello ist die menschliche Kommunikation eine Anpassungsleistung, die soziale Interaktion und Kooperation als Überlebensvorteil nach dem Motto „helfe ich dem anderen, helfe ich mir selbst“ möglich machte. „Die Ursprünge der menschlichen Sprache liegen nach Tomasello in natürlichen, spontanen Gesten […] und in einer einzigartigen Fähigkeit zur geteilten Intentionalität (shared inentionality; gemeinsame Ziele, Absichten und Überzeugungen), die durch drei Motive gesteuert wird: Einfordern – von Hilfe und Information – (‚ich möchte, dass DU etwas für MICH tust, mir hilfst‘), Informieren (‚ich möchte, dass DU etwas weißt, weil ich denke, dass es DIR hilft oder DICH interessiert‘) und Teilen – von Emotionen oder Haltungen – (‚ich möchte, dass DU etwas fühlst, damit WIR Einstellungen oder Gefühle teilen können‘).“135 Tomasello geht davon aus, dass die ersten menschlichen Formen von Kommunikation in Zeigegesten und ikonischen Gesten, die er Gebärdenspiel nennt, bestehen. Die Sprachentwicklung des Kindes wiederholt in gewisser Weise im Zeitraffer die Entwicklung der Sprache des Menschen als Gattungswesen. Das Kind zeigt, bevor es sprechen kann, auf Dinge und Personen, um einzufordern, zu informieren und zu teilen. „Reagiert sein erwachsenes Gegenüber positiv auf seine Zeigegeste – etwa durch abwechselndes Blicken auf das Kind und das Objekt...