Herr Mau, in Thomas Freyers Theaterstück „Stummes Land“ stellen vier Leute um die vierzig, die in der DDR gemeinsam zur Schule gegangen sind, fest, dass ihnen das Erbe der Elterngeneration tiefer in den Knochen steckt als angenommen. Was sagen Sie als Soziologe – und als Ostdeutscher – zu diesem Befund?
Eine generelle Beobachtung, die ich immer wieder mache, ist, dass ein wirklich rigoroses Gespräch über die DDR, über die Vereinigungserfahrung und die Transformation weder in Ostdeutschland noch im gesamtdeutschen Kontext hinreichend stattfindet. Manche Leute sagen, Ostdeutschland fehlt ein 1968, also eine Rebellion der jüngeren Leute gegen die Elterngeneration, ein Befragen auf ihre Verantwortung im SED-Staat. Das kam 1989/90 nicht so richtig in Gang, weil die Eltern nicht mehr in Machtpositionen waren. Die musste man nicht mehr herausfordern, sondern sie hatten selber mit Existenzängsten zu tun, sodass die jüngere Generation eigentlich sehr schonend mit der älteren umgegangen ist, sich zum Teil auch mit ihr solidarisiert hat. Außerdem spielte sicher eine Rolle, dass diese Auseinandersetzung, wenn es sie denn gegeben hätte, immer vor einem westdeutschen Diskurspublikum stattgefunden hätte, das schon von vornherein ideologisch auf der richtigen Seite stand und qua Position alles besser wissen musste.
Das Personal in Freyers Stück – ein...