Findet Boulevardtheater noch immer in einem Paralleluniversum statt – meist fern öffentlich finanzierter Häuser? Nein, die Grenzen sind fließend geworden. Das Theater Baden-Baden mit Intendantin Nicola May erprobt immer wieder aktuelle Boulevardtexte, derzeit ein Stück des preisgekrönten Broadwaydramatikers Christopher Durang, der mit schrägen, dunklen Psychologiekomödien wie „Trotz aller Therapie“ hier gern in die Woody- Allen-Schublade gesteckt wird: „Vania und Sonia und Mascha und Spike“, uraufgeführt 2012 am McCarter Theatre in Princeton, gibt sich im Titel als upgedateter Tschechow-Remix zu erkennen und gewann 2013 den begehrten Tony Award.
Die Frage ist: Wie geht so etwas diesseits des Atlantiks? Die Europäische Erstaufführung (EEA) am Theater Baden-Baden inszenierte der Schweizer Stefan Huber, von Haus aus Musicalspezialist. Er entwickelt das komische Potenzial des Stücks eher beiläufig, locker, lässig, ohne Schrillheiten. Sonia und Vania, zwei schon in den Fünfzigern angelangte Nachkommen eines Professorenhaushalts, führen ein ereignisloses Dasein im ererbten Gut der Eltern. Dass sie sich schon beim Morgenkaffee zanken, lässt tief in ihr ungelebtes Leben blicken. Selbst als Sonia die volle Tasse an die Wand deppert („Ich hasse das Leben!“), hält Huber den Ball angenehm flach. Nein, allzu exaltiert agiert hier niemand, hier wird eher Tschechow-like geplaudert, gesehnt und gekabbelt. Manchmal auch bitterböse, klar. Was...