Zwei Gesichter bleiben vor allem in Erinnerung: Michael Wittenborn als Erzähler. Und Lina Beckmann als Kraftzentrum und Verwandlungsvirtuosin. Sie demonstrieren, wozu Antike heute noch taugt. Weshalb sie relevant ist. Indem sie die Texte im Gestus der grantig-liebevollen Spaßmacherin servieren (Beckmann), indem sie im sanften, singenden Ton des Rhapsoden erzählen (Wittenborn). Es ist die uralte Kraft dieser Texte, die letztlich ohne Bühnenillusion auskommen. Es ist Haltung, es ist Gestus. Und es sind unvermischte Gefühle, die Lina Beckmann – nicht nur sie, aber vor allem sie – uns empfinden lehrt, indem sie sie selbst empfindet, stellvertretend. Die Panik, den Schock, die Gier, das Grauen, nur in Sekundenbruchteilen gewechselt in augenzwinkernde, brachiale Komik. Eine Mutter, die ihren Sohn hin meuchelt, ohne es zu realisieren. Als sie es tut, weint sie, minutenlang. Antike braucht das, eine Art verächtliche, anti-elitäre Grundstimmung, der das „Wir“ des Publikums, der Gesellschaft, der Zivilisation letztlich herzlich egal ist, die Lust am Geschmacklosen, Unmoralischen. Hochmut in der Empfindung, Virtuosität in der Darbietung, stilles Erschrecken darüber, dass die Menschheit immer noch existiert. Trotz der ihr innewohnenden Neigung, sich selbst zu zerstören. So werden aus Archetypen Individuen.
Greller Humor und erschütternde Tragik
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