Kolonialismus und imperiale Modernisierung
Formen nicht-literaturbasierten Theaters: Arabien
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
In arabischen Ländern scheint die koloniale Überformung der Haltung zum Theater besonders stark gewesen zu sein. Nicht nur westliche, auch arabische Historiker meinten bis in die 1970er Jahre, Theater hätte in arabischen Ländern keinerlei Tradition. Es wäre erst mit dem massiven europäischen Einfluss infolge der französischen und britischen Kolonialisierung in die nordafrikanischen Länder sowie nach Ägypten, Syrien und in den Libanon gekommen. Für sie begann Theater in Arabien mit der Stückübersetzung und der Aufführung eines europäischen Klassikers (Molières) um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Dabei wurde unterschlagen, was inzwischen korrigiert worden ist, dass arabische Quellen und Reiseberichte von Europäern von Formen eines nicht-literaturbasierten Theaters als ein Element großer arabischer Kulturen sprechen. 210 Nur die Existenz des Schattenspiels war anerkannt worden. Die Wirksamkeit der in Europa hegemonialen Modelle begann übrigens fast genau mit dem Einmarsch Napoleons in Ägypten, dem militärischen Auftakt direkter und indirekter europäischer Kolonialisierung oder zumindest politisch-ökonomischer und so auch kultureller Hegemonie in den arabischen Regionen bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
Neben dem Schattentheater hatte es seit Jahrhunderten vor allem Geschichten-Erzähler-Darstellungen, aber auch nicht von schriftlichen Texten ausgehendes Theater gegeben. In der Untersuchung der eigenen Traditionen ging der irakische Theatermacher Awni Karoumi in den 1970er Jahren bis auf künstlerische...