Stimmen im Lärm der Zeit
Peter Konwitschnys Theaterarbeit mit B. A. Zimmermanns Oper Die Soldaten
von Günther Heeg
Erschienen in: Recherchen 161: Fremde Leidenschaften Oper – Das Theater der Wiederholung I (12/2021)
Assoziationen: Musiktheater
1. Ein apokalyptisches Totaltheater?
Hartnäckig hält sich das Gerücht über Zimmermanns Soldaten, das sie als Paradebeispiel eines avantgardistischen Totaltheaters ausgibt. In den Soldaten sei der lineare Verlauf der Zeit aufgehoben und die Zuschauer:innen stattdessen dem Kugelblitzgewitter aus einer »Kugelgestalt der Zeit«2 ausgesetzt, das sie von allen Seiten und mit allen medialen Mitteln umzingelt und angreift. Als inhaltliche Konsequenz der formalen Strukturen resultiere dann Geschichte des Untergangs der menschlichen Gattung, die in ihrer totalen Gestalt jede konkrete Handlung verschwinden lässt. So, als »Weltuntergangstheater« und »apokalyptisches Multimediadrama«3, stellt sich ein Rezensent seinen Zimmermann vor, den er anlässlich der Nürnberger Inszenierung schmerzlich vermisst.
Zieht man die Bewertung ab, dann ist das nicht falsch gesehen. Denn die Nürnberger Inszenierung von Peter Konwitschny (Regie), Helmut Brade (Bühne und Kostüme), Kai Weßler (Dramaturgie) und Marcus Bosch (musikalische Leitung) unternimmt nichts weniger, als Zimmermanns Oper von dem Gerücht zu befreien, das sie umgibt. Kein Verlust ist damit verbunden, sondern eine Neuentdeckung der Soldaten, die dem Werk und der Entfaltung seines »Zeitkerns«4 in der Gegenwart gerecht wird.
Zimmermann selbst hat mit seinen Äußerungen über Die Soldaten der Idee eines apokalyptischen Totaltheaters durchaus Nahrung gegeben. Nicht zufällig hat er Jakob Michael Reinhold Lenz’...