Magazin
Ein Fuß im Schnee, der andere im Sand
Zum Tod von Henning Mankell
Erschienen in: Theater der Zeit: Alexander Kluge: Tschukowskis Telefon – Umwege zum Realismus (12/2015)
Assoziationen: Akteure
Ein Dezemberabend im Jahre 2003. Im Stuttgarter Off-Theater tri-bühne trat ein freundlicher, leiser, weißhaariger Mann Mitte fünfzig vors Publikum und stellte sich in entwaffnender Kürze vor: „I’m a storyteller.“ Er sprach von ertrunkenen Flüchtlingen im Mittelmeer, von Menschenhandelsopfern in Rotterdamer Containern, vom Hass, der vielen Immigranten hier entgegenschlägt: „I don’t want this kind of Europe!“ Der Mann, der da redete, war Henning Mankell, dessen Wallander-Krimis Millionenauflagen erzielen. Er erzählte von seiner Liebe zum Theater, zu Afrika und zum Teatro Avenida in Maputo (Mosambik), das er seit 1986 gemeinsam mit der Gründerin Manuela Soeiro aufgebaut und weiterentwickelt hatte. Wallander? Die Krimis sind erst ab 1989 entstanden – großteils in Afrika. Im Oktober 2015 ist Henning Mankell, der ein Leben lang dem Theater verpflichtet blieb, mit 67 Jahren in Göteborg an Lungenkrebs gestorben.
2003, an jenem Dezemberabend, hörten viele Zuschauer zum ersten Mal, dass es neben dem allseits gehypten Bestsellerautor noch einen anderen, weniger bekannten Mankell gab, dessen Herz fürs Theater schlug. Ein afrikanisch-deutsches Ensemble bestritt damals die Uraufführung seines Stücks „Dunkles Brot und tote Blumen“. Eine knapp 90-minütige Studie, die um den Fall des 2000 in Dessau von Rechtsradikalen ermordeten Mosambikaners Alberto Adriano kreist. Kein engmaschiges Dokumentartheater, nein. Mankell weitet den...