Spot an. Haroun Ould El-Assasse sitzt auf einem weißen Hocker und starrt düster ins Publikum. Er habe letzte Nacht schlecht geschlafen, murmelt er. Diese Wut, die einen würge. Sie stelle immer wieder dieselbe Frage. „Am Ende fühlst du dich wie nach einem Verhör.“ Der Student, der sich schüchtern an der Wand herumdrückt, stutzt. „Ist es Ihnen lieber, wir treffen uns an einem anderen Tag?“ Haroun: „Nein, wenn sich schon einmal die Gelegenheit bietet, diese Geschichte loszuwerden!“
Mit „Der Fall Meursault“ haben der belgische Regisseur Ruud Gielens und die ägyptische Autorin Laila Soliman am Theater Neumarkt die nunmehr dritte Version dieser Geschichte auf die Bühne gebracht. Haroun, der phlegmatische Protagonist aus dem Roman des Algeriers Kamel Daoud, ist seit Erscheinen des Buches zu einem gefragten Kronzeugen einer komplizierten Debatte geworden, die angesichts von Flucht und Migration um eine klare Haltung ringt, jedoch mit dieser Figur nicht zu haben ist. Als „Der Fall Meursault“ 2014 in Frankreich erschien, wurde diese „Gegendarstellung“ als große postkoloniale Abrechnung gelesen. Daoud nimmt es darin mit dem Literaturnobelpreisträger Albert Camus auf, in dessen Roman „Der Fremde“ die Geschichte des Franzosen Meursault erzählt wird, der im Algerien der Kolonialzeit einen namenlosen Araber erschießt. Das Wort Araber, rechnet Daoud...