Erst wer Kolumbien gesehen hat, versteht, warum ein Autor wie Gabriel García Márquez nur hier geboren sein kann. Der magische Realismus ist hier gelebte, überall nacherlebbare Realität. Ein Beispiel: In Bogotá bekommt man kostenlos ein vom Kulturministerium herausgegebenes Büchlein mit dem Titel „Bogotá contada“, in dem bekannte lateinamerikanische Schriftsteller über ihren Aufenthalt in der Hauptstadt erzählen. „Erzähltes Bogotá“ also. Magisch wirken bereits die im Vorwort zitierten Sätze des nordamerikanischen Chronisten John Gunther: „In Bogotá gibt es mehr Buchhandlungen als Cafés und Restaurants.“ Hier „lesen die Abgeordneten einander Gedichte vor, sprechen über Quantenphysik oder über den Einfluss von Rimbaud auf Gide“. Das war zwar 1941, hat sich aber bis heute nicht geändert, sagen die stolzen Bogotanos. Man könnte ins Schwärmen geraten. Unwillkürlich denkt man an ihre deutschen Kollegen: Haben sie mehr zu tun – oder denken sie vielleicht weniger?
Das ist aber nur die sanft-pittoreske Seite dieser magischen, sich gebildet gebenden Hauptstadt. Erst durch die sich zum Magischen hinzugesellende Gewalt, die in Kolumbien omnipräsent ist, zeigt sich eine andere Seite. Bevor zum Beispiel jemand überfallen wird, kann es passieren, dass der Räuber ein Gedicht rezitiert, damit das Opfer vor dem Gewaltakt „verzaubert“ wird und damit etwas „Festliches“ erlebt. Alles soll schließlich...