Essay
Ein Protestant im Konsensland
Erinnerungen an Adolf Dresen mit Blick auf das Verhältnis von Staat und Kultur
Erschienen in: Theater der Zeit: Neues Musiktheater (10/2025)
Assoziationen: Adolf Dresen

I
„Wieviel Freiheit braucht die Kunst? / Verstehensprobleme der Moderne“ war der Vortrag überschrieben, den Adolf Dresen im November 1996 auf einer Veranstaltung der neugegründeten Sächsischen Akademie der Künste im Leipziger Schauspielhaus zur Diskussion stellte. Die Rede war ein großangelegter Appell auch und gerade an die Theaterkunst, in ihren Bemühungen um neue Sichtweisen und neue Kunstmittel den Adressaten nicht aus dem Auge zu verlieren. Ist sie heute noch aktuell? Oder hat die Zeit seine kritischen Anmerkungen inzwischen überholt? Dresen berief Hegel, der vom Kunstwerk geschrieben hatte, dieses sei „wesentlich eine Frage, eine Anrede an die widerklingende Brust, ein Ruf an die Gemüter und Geister“, und hielt die Situation der Gegenwart dagegen: „Ins Leere zu sprechen wurde zum Grundgefühl des Künstlers der Moderne. Seine Freiheit wurde eine vom Adressaten, er trägt schwer an seiner wachsenden Entfremdung vom Publikum. Verstehen verträgt nur eine begrenzte Freiheit.“
„Staat und Kultur gerieten bei uns in ein Nicht-Verhältnis der Nicht-Berührung“, sagte er im Blick auf das westdeutsche Theater, das er in den vier Jahren seiner Theaterdirektion in Frankfurt am Main in den achtziger Jahren erlebt und durchlitten hatte. Es war eine Philippika wider falschverstandene Autonomie und maßstablose Originalitätssucht, und sie hatte kräftige Worte parat. „Die alte...