Magazin
Der Nebenrollenmeister
In Gedenken an den Schauspieler Harald Warmbrunn
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Vorwärts immer, rückwärts nimmer – Schwerpunkt Klassismus (02/2021)
Er erschien in verschlissener Arbeiterkleidung mit einem großen Stapel Teller vor dem Leib, nahm den obersten davon und zerhackte damit von oben nach unten alle anderen, wobei der zuschlagende Teller bis zur letzten Scherbe auf wundersame Weise ganz blieb. War diese letzte Scherbe endlich zu Boden gefallen, sprach er mit seiner dunkel kehligen Stimme: „Was für schönes Haar ihr habt!“ Black!
An die hundert Mal beendete Harald Warmbrunn so Frank Castorfs legendäre Inszenierung „Das trunkene Schiff“ aus dem Jahr 1988, Paul Zechs szenische Ballade über Arthur Rimbaud, mit der Castorf zugleich das Leben von Jim Morrison skizzierte. Bei der Premiere im 3. Stock der Berliner Volksbühne hatte noch der bald in den Westen ausgereiste Michael Lucke die Rolle des Labatut gespielt, doch nach ein paar Vorstellungen übernahm Warmbrunn und wollte später, nach der Wiederaufnahme des Stücks 1995, gar nicht mehr davon lassen. Immer wieder habe er den Intendanten zu weiteren Wiederaufnahmen überreden wollen, nicht nur wegen der imposanten Tellernummer, sondern weil er die Inszenierung für eine von Castorfs besten und wichtigsten hielt.
Tatsächlich gehörte der Schauspieler mit der Statur eines Holzfällers zum engeren Zirkel der Großbande Volksbühne. Schon bei den „Räubern“ (1990) war er dabei, dann bei Castorfs „Lear“, mit...