Report
Befreites Leben
Die argentinische Autor-Regisseurin Lola Arias erhielt den International Ibsen Award 2024 in Oslo
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Amerikanisches Theater (11/2024)
Assoziationen: Südamerika Lola Arias

Sechs Personen, fünf Frauen und ein trans Mann, stehen auf der Bühne in Galakleidung. Sie zählen „Los Días Afuera“, die Tage, die sie draußen sind. Denn alle waren in Argentinien im Gefängnis wegen Drogen, Diebstahl und anderen mit Armut verbundenen Delikten. Nun zählen sie nach den Tagen im Knast in die andere Richtung: wie lange sie es draußen geschafft haben, ohne wieder straffällig zu werden.
Denn das ist, obwohl sie nun hier wie vorher schon in Avignon, Barcelona und Hamburg viele Tage damit sogar auf Bühnen vorangekommen sind, doch nicht ganz auszuschließen. Mit dem Erzählen der einzelnen Schicksale – eine junge Mutter, die ihr Kind nicht mehr sieht, Delfino mit seinem Fortkommen von der Straße – entsteht eine kraftvolle musikalische Revue, live gesungen von den Protagonist:innen und begleitet von der mit Arias schon lange verbundenen Multi-Instrumentalistin und Komponistin Inés Copertino: Musik als Befreiungstraum und befreites Leben.
„life pieces“
„Los Días Afuera“, das im Rahmen der Preisverleihung im Nationaltheater Oslo gezeigt wurde, war für Arias die bislang schwierigste Produktion einer Reihe von Arbeiten, in denen Menschen mit ihren eigenen Geschichten auf der Bühne stehen. Das sei ja kein Theater, weil sie nicht mit echten Schauspieler:innen arbeite, hatte sie sich im Laufe...