Metrische und sinngebende Takte
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Gleichbleibende Rhythmen langweilen uns relativ schnell. Nehmen wir sie in der Natur wahr, kann das eintönige Rauschen des Regens oder das Plätschern eines Brunnens uns sogar schläfrig machen. Mit gleichbleibenden Rhythmen können wir uns in tranceähnliche Zustände versetzen. Während das Metrum für eine relative Gleichförmigkeit steht, bringt die Eigendynamik des gesprochenen Satzes Bewegung in die Verse. Dadurch entstehen Versbeugungen, das heißt, der metrische Rhythmus wird durch den sinngebenden Rhythmus des Satzes verändert. Wir können auch nicht akzentuierte Silben durch das Metrum leicht heben und akzentuierte Silben ein wenig senken. In diesem Fall ergeben sich schwebende Betonungen oder ein synkopisch veränderter Rhythmus. Sprechtakte ordnen Verstakte neu, ohne dass der metrische Rhythmus grundsätzlich verändert wird. Der deutsche Lyriker Friedrich Georg Jünger beschreibt das am Beispiel des Verses: Wenn er laut schallende Trommeln schlägt. Wir können den Vers so aufteilen: Wenn er laut/ schallende/ Trommeln/ schlägt. Es geht aber auch so: Wenn er/ laut/ schallende/ Trommeln schlägt. In beiden Varianten erkennen wir die potenzielle Handlung. Das Wort laut bezieht sich auf den Vorgang des Schlagens der Trommel. Wir können die Sprechtakte des Verses aber auch wie folgt einteilen: Wenn er/ laut-schallende/ Trommeln schlägt. Nun bezieht sich das Wort laut zusammen mit dem Wort...