Ein Zweieinhalbminuten-Trailer auf ihrer Homepage zieht mich nach Greifswald. Annett Kruschke, Volksbühnengründungsensemble-Urgestein, spielt am Theater Vorpommern Büchners „Dantons Tod“. Eine Stunde solo, alle Rollen nur sie mit ganzer Wucht. Anfangs die simple Welt der Daniela Katzenberger, blondiert und zopfschwingend an der Gitarre, mit infantildreistem Schmollton verkündend, jeder wolle doch ein Star werden, oder?! Dann die Büchner-Metamorphosen, der wütende Ausbruch, man müsste einander die Schädeldecken aufbrechen, um an die verborgenen Gedanken zu gelangen.
Alles selbstgemacht aus wütendem Schrei, kapriziöser Parodie und eisigen Stille-Momenten, etwa, wenn sie als Saint-Just die Macht anbetet. Regie, Musik, Requisite – sie ganz allein. Auch bei den Proben war niemand dabei – und als sie bei Saint-Just angelangt war, überfiel sie plötzlich eine ganz furchtbare Angst, als hätte gerade jemand heimlich den Raum betreten und verbreite nun die Aura des Todes. Die halblegale private Videoaufzeichnung habe sie – sorry – vermutlich versehentlich weggeworfen, das Theater besitzt so was ohnehin nicht, und wann sie „Dantons Tod“ wieder spielt, weiß sie nicht. Zweieinhalb Minuten! Gut, ich fahre. In Greifswald endet die Spielzeit an diesem späten Juni-Wochenende mit einem Spektakel. Es trägt den aseptischen Titel „Ordnung und Widerstand“, was eher nach Oberseminar Politikwissenschaft klingt – und so ist auch der...