Ist das Glas halb voll oder halb leer – oder womöglich viel schlimmer: Wird der allerletzte Tropfen bereits in naher Zukunft versiegt sein? Mit der Erzählung einer Kindheitserinnerung, einer scheinbar banalen Begebenheit bei einem Familienbesuch, setzt Maria Ursprungs Stück „Die nicht geregnet werden“ ein. Es nutzt sie als Sprungbrett in ein Katastrophenszenario, das keineswegs aus der Luft gegriffen ist, sondern in vielen Weltgegenden längst Realität, und auch hierzulande immer deutlicher spürbar: die drohende Wasserknappheit. Die 1985 in Solothurn geborene Dramatikerin hat das Stück in der Spielzeit 2020/21 als Hausautorin am Theater St. Gallen geschrieben (Abdruck in TdZ 2/22); Ende Mai 2022 wurde es unter der Regie von Schauspieldirektor Jonas Knecht und Marie Bues, ab 2023 Co-Leiterin des Schauspielhauses Wien, in der St. Galler Lokremise uraufgeführt. Sieben Personen in wechselnden Rollen von der Wissenschaftlerin (Birgit Bücker) über ein Radiomoderatoren-Duo (Grazia Pergoletti, Julius Schröder) bis hin zum herumlavierenden Lokalpolitiker (Tobias Graupner) führen darin vor Augen, was passiert, wenn das heute noch Selbstverständliche nicht mehr verfügbar ist.
In der eingangs erwähnten kleinen Anekdote des Epilogs gibt es vom Vater eine Ohrfeige, weil die Tochter gedankenlos das Glas wegzieht, als er ihr zu trinken einschenkt. Nicht so schlimm, denkt man, ist doch nur Wasser....