Ein kurzer Abriss des chilenischen Theaters heute
von Luis Barrales
Erschienen in: ¡Adelante! – Iberoamerikanisches Theater im Umbruch / Teatro Iberoamericano en tiempos de cambio (02/2017)
Assoziationen: Südamerika Dossier: Chile
Mit dem Beginn der 1990er Jahre, als das Land langsam zur Demokratie zurückkehrte, setzte ein Prozess der Erneuerung des chilenischen Theaters ein. Auf die wenigen Autoren, die in der Zeit der Diktatur ihre Stimme erhoben hatten, folgte eine vom Wunsch nach Innovation erfüllte Szene, Theatermacher, die sich in den Inhalten wiederfinden wollten und die, anders als ihre Vorgänger, eine Ausbildung an Theaterakademien absolvierten. Diese Entwicklung konsolidierte sich im 21. Jahrhundert: Die meisten Autoren der Gegenwart sind Schauspieler, die durch die Arbeit mit ihren Compagnien zu Dramatikern wurden und das Theater ausgehend von den Proben hören. Ein wichtiger Faktor in diesem Veränderungsprozess war das großartige Wirken der engagierten Autoren in der Zeit der Diktatur. Zu nennen sind insbesondere Marco Antonio de la Parra mit seinen emblematischen Workshops, aus denen die ersten neuen Stimmen zu hören waren, sowie Juan Radrigán, ein Arbeiter ohne akademische Ausbildung, der mitten in der Diktatur mit seinen proletarischensubproletarischen Dramen auftauchte und die Themen und Stoffe des chilenischen Theaters dauerhaft veränderte. Er wurde zu einer unverzichtbaren und hochgeschätzten Referenz für eine neue, junge Szene. Thematisch konzentrieren sich die Bühnenautoren unserer Zeit auf die politische Geschichte und ihre Folgen: Die menschlichen Opfer des freien Marktes, den die Diktatur brutal...