Aladin El-Mafaalani, sprechen wir über die Wahlen, eine Zeit der Richtungsentscheidungen, aber auch der Symbolpolitik. Besonders Kultur und Bildung werden gerne herangezogen, wenn es um die „Reparatur“ unserer Gesellschaft geht. Kultur und Bildung sollen bilden, integrieren, inkludieren, soziale Ungleichheiten bekämpfen, den Klimawandel aufhalten und Nazis verjagen. Was mich beeindruckt hat: In Ihrem Buch „Mythos Bildung“ weisen Sie diesen Auftrag, bezogen auf die Bildung, mit ziemlich viel Verve zurück. Bildung als Allheilmittel anzusehen, schreiben Sie, sei völlig absurd. Würden Sie einen solchen „politischen Ungehorsam“ auch Kulturschaffenden empfehlen?
Ich würde zunächst bezweifeln, dass sich Bildung und Kultur in diesem Sinne so vergleichen lassen. Im Bereich der Kultur, so mein Eindruck, werden tatsächlich krasse Sonntagsreden gehalten. Bezogen auf die Bildung, meinen es Politikerinnen und Politiker, fürchte ich, ernst. Sie erwarten tatsächlich, dass man durch das, was in der Schule passiert, präventiv gegen Armut wirken, die Situation in den Stadtteilen verbessern und Rechtsextremismus bekämpfen kann. Das kann Kultur ja nicht ernsthaft leisten. Man kann es behaupten, aber glauben tut es doch keiner.
Im Wahlprogramm der Linken heißt es zumindest, es sei Aufgabe einer fortschrittlichen, aufklärerischen Kultur, an der Überwindung der sozialen Ungleichheit und aller kulturellen Unterdrückung mitzuwirken.
Ja, aber stellen Sie sich mal vor,...