Verfassungsrechtliche Kunstbegriffsdefinitionen
Erschienen in: Recherchen 168: Der urheberrechtliche Schutz performativer Kunst – Theater, Aktion, Performance (09/2023)
Die Erfassung des sachlichen Schutzbereiches der in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG normierten Kunstfreiheitsgarantie stellt den Rechtsanwender vor ein »Definitionsdilemma«.1022 Denn einerseits gilt: »Was der Staat nicht definieren kann, kann er auch nicht schützen.«1023 Da aber bereits jede Definition die Kunstfreiheitsgarantie einschränke, liege hierin, so ein weit verbreiteter Vorwurf, eine »Quadratur des Kreises«.1024 Von einigen Stimmen wird daher ein »Definitionsverbot«1025 gefordert, weil es, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert, unmöglich sei, »Kunst generell zu definieren«.1026 Demgegenüber geht die überwiegende Meinung ebenso wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von einem »Definitionsgebot«1027 des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG aus, weil auch der »weltanschaulich neutrale Staat«1028 das Recht auf etwas Bestimmbares anwenden muss.
Das Bundesverfassungsgericht versucht in seiner Rechtsprechung, die Kunstfreiheitsgarantie von den Schranken her zu denken, indem es Kunst von »Nicht-Kunst«1029 abgrenzt. Unter impliziter Bezugnahme auf den Beitrag von F. Müller zur verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie »Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik« knüpft das Bundesverfassungsgericht an den Begriff der Kunst als »Rechtsbegriff«1030 an und prüft im Einzelfall, ob dieser die »der Kunst eigenen Strukturmerkmale«1031 aufweist. Dabei wird davon ausgegangen, dass der vom Normprogramm als frei geschützte Lebensbereich einen strukturierten...