Francis Seeck, Sie sind Klassismusforscher*in. Womit beschäftigen Sie sich konkret?
Francis Seeck: Klassismus beschreibt die Diskriminierung aufgrund der Klassenherkunft oder -zugehörigkeit, der sozialen Herkunft oder des sozialen Status, also zum Beispiel die Diskriminierung von Arbeiterkindern im Bildungssystem, Erwerbslosenfeindlichkeit, Vorurteile gegenüber Arbeiterinnen und Arbeitern oder Menschen mit nichtakademischen Hintergründen.
Im Sommer haben Sie im Auftrag des Impulse Theater Festivals die Programme der freien Szene auf Ausgrenzungsmechanismen hin durchgesehen. Mit welchem Ergebnis?
Seeck: Es wurden viele englische Begriffe verwendet, die nur ein akademisches Milieu ansprechen, und bei Streaming-Angeboten haben sich die kulturellen Einrichtungen explizit abgegrenzt von denen, die jetzt angeblich den ganzen Tag in der Jogginghose herumsitzen und schlechtes Privatfernsehen gucken. Das Zuhause der Zuschauerinnen und Zuschauer wurde dabei oft selbstverständlich so imaginiert, dass mindestens ein zweites Zimmer zur Verfügung steht, in dem sie ihre Cocktailecke für die Pause aufbauen können. Und auch das Online-Publikum selbst hat sich auffällig oft mit Bücherregalen, teuren Bildern und Objekten vor der Kamera inszeniert, die zeigen: Ich habe Geld und einen gewissen Status. Auch in Inszenierungen, die sich mit Menschen aus der Arbeiterklasse beschäftigten, gab es klassistische Klischees: Neben der Jogginghose zum Beispiel Feinripp-Achselshirts und Alkohol. Erwerbslose werden im freien Theater gar nicht so anders dargestellt...