Medea. Ausgerechnet! Ein Name wie ein Omen. Holzgeschnitzt und unheilvoll prangt er seitlich an dem Schiff, das arg mitgenommen und rostig auf dem Vorplatz steht. Aus einem Lautsprecher an Deck scheppern tapfer ein paar Songs, der Blues einer Bessie Smith, Frank Sinatras schnapsseliger Swing. Hin und wieder, wenn der Schornstein qualmt, scheint es, als rauche sie lässig eine Zigarette: Medea, die Schöne, die sich in fremden Landen einst verlor. Hier jedoch sind es ihre Passagiere, die bald Entsetzliches erleben. Wie dieser Major, Mr. Jones, der ab und an aus dem Kajütenfenster blickt. Ein schlanker, stiller Mann mit schlottrigem Anzug, den er nie wechselt. Und Augen, so traurig, als sähen sie alles. Oder nichts.
Es ist eine krude Gesellschaft, die an diesem trüben Augustmorgen Kurs auf Portau- Prince genommen hat. Menschen mit Namen so farblos wie ihr Leben: Als Jones, Smith und Brown stellen sie sich vor. Dort auf Haiti erhoffen sie sich wieder eine Existenz in allen Nuancen. „Wir lieben“, jauchzt Mrs. Smith, „die Farbigen ja ungemein!“ Doch diese grellbunten Träume machen sie nur noch blinder für alles: Haiti in den 60ern, das ist ein düsterer, dunkler Ort. Bis an den Bühnenrand hat Christoph Diem die Alte Feuerwache vernagelt. Gazevorhänge,...