Daseinsdeutung historisch früher Gesellschaften
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Wann und wie entwicklungsgeschichtlich frühe Gesellschaften theatral handelten und ob sie Theater als spezifische, gleichsam ästhetisch dominante Praktik ausdifferenzierten, ist unbekannt. Für Tätigkeiten, die an den lebenden Körper gebunden sind, von ihm produziert werden, gibt es keine archäologischen Belege. Es dürfte aber keine völlig abwegige Annahme sein, dass Menschen theatral seit den Zeiträumen handelten, in denen sie jene Bildnisse auf Felsen bzw. in Höhlen zeichneten und/oder einritzten, die bis zu über 20 000 Jahre zurückzudatieren sind. Die Malereien, Zeichnungen, Gravierungen zeigen Erscheinungen und Geschehnisse von Tieren, Menschen und den Beziehungen zwischen Menschen und der Natur (Tier- und Pflanzenwelt) bis hin zu Maskierungen, die dem ähneln, was steinzeitlich produzierende Jäger- und Sammlergemeinschaften, die noch bis ins 20. Jahrhundert zu beobachten waren, theatral ausagierten – im Bemühen, ihre Existenz zu sichern, ihr Leben und ihr Dasein in der Welt sinnvoll zu deuten und, vielleicht nicht zuletzt, aus Genuss am Machen der Dinge (am Ästhetischen). So ist zu vermuten, dass mit dem ganzen Körper vollzogene kommunikative symbolische oder eben theatrale Handlungen eine nicht unwichtige, vielleicht sogar sehr wesentliche Rolle in den früheren Stadien der Geschichte der Menschheit gespielt haben.
Aus der Beobachtung noch existenter Jäger- und Sammlergesellschaften und der vorsichtigen Auslegung weit zurückliegender...