Diktatoren hassen das Theater – insbesondere, wenn es sich auch noch als unabhängig, gar kritisch gebärdet. Passenderweise beginnt die szenische Lesung von Andrej Kurejtschiks Stück „Die Beleidigten. Belarus(sland)“ genau mit dieser Schmähkritik aus dem Mund von vielleicht Europas letztem Usurpator Alexander Lukaschenko. Gespielt wird der seit 1994 amtierende Präsident des titelgebenden Staates von Christina Rubruck. Am Rednerpult stehend, geißelt sie die Verlogenheit des Schauspiels, währenddessen sie sich mithilfe eines Handspiegels einen Schnauzer aufmalt. Ironischer, schlagkräftiger könnte der Beginn dieser Gesellschafts- und Funktionärsanklage gar nicht ausfallen. Ließ sich der belarussische Regierungschef noch vor Kurzem in sportlicher Pose beim Skifahren mit Wladimir Putin ablichten, so durchkreuzt die Inszenierung von Anfang an sämtliche Männlichkeitsklischees. Der Autokrat mag den starken Max mimen, als Frau mit Make-up scheint der Macho zumindest auf der Bühne machtpolitisch kastriert zu sein.
Doch der 1980 in Minsk geborene Schriftsteller ruht sich nicht auf einer Karikatur des umstrittenen Präsidenten aus, sondern zeigt ein breites Panorama eines zerrissenen Volkes. Auf der einen Seite stehen natürlich die Getreuen: eine Lehrerin, verkörpert von Katharina Quast, wettert neben einem weißen Flipchart gegen Wahlen, die ohnehin nur Instabilität schüfen. Derweil klopft ein Söldner (Steffen Gangloff) populistische Sprüche, wünscht „den Fremden den Tod“, hetzt gegen das...