Theater der Zeit

Nachruf

Der Abstand zu Kränzen aller Art

Ein Text zum Abschied von Manfred Wegner (1956–2021)

von Meike Wagner

Erschienen in: double 44: Regie? – Zwischen Autor*innenschaft und Außenblick (11/2021)

Assoziationen: Bayern Puppen-, Figuren- & Objekttheater Akteure

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Manfred Wegner war langjähriger Leiter der Sammlung Puppentheater/Schaustellerei des Münchner Stadtmuseums. Mit Büchern, Texten, Ausstellungen, aber vor allem mit der Förderung anderer – KünstlerInnen und ForscherInnen – war er ein wichtiger Impulsgeber für das Figurentheater und Puppenspiel. Im August 2021 erlag er seiner langen schweren Erkrankung.

Vor gut einem Jahr habe ich mit Manfred Wegner für double ein letztes intensives Gespräch geführt. Es ging um ‚Übergänge‘, ein Thema, das wegen seines Rückzugs von der Leitung der Sammlung Puppentheater/Schaustellerei des Münchner Stadtmuseums, sowohl persönlich für ihn als auch für die Figurentheaterforschung allgemein, von großer Relevanz war. Mit leiser Stimme – durch die Krebserkrankung noch leiser als sonst – machte er mir deutlich, dass er nicht den geringsten Wert darauf legte, eine persönliche Erbschaft zu übergeben, oder auch nur im Entferntesten darauf zielte, eine Denkschule zu prägen, seine eigenen Gedanken als Manifeste einer Nachwelt zur Verpflichtung zu machen.

Nach dem Gespräch war ich sehr berührt. Zum einen war nach einer Stunde seine Erschöpfung deutlich zu spüren. Das wurde mir besonders klar, als ich für das Transkript die Aufnahme wieder und wieder laufen ließ und einer schwächer werdenden Stimme lauschte. Zum anderen wurde mir wieder einmal Manfreds geistige und menschliche Großzügigkeit vor Augen gestellt. Wie viele Forschende, Sammelnde, Strebende im Feld der Theaterwissenschaft und Puppenforschung (darunter auch ich) lassen keine Gelegenheit ungenutzt, eine Rolle im öffentlichen Diskurs zu spielen, die eigene Ideenwelt in Texte und Bücher zu gießen, um etwas Beständiges zu hinterlassen und die eigene Sichtbarkeit zu sichern. Manfred hinterlässt einige wenige, aber relevante Schriften. Aber viel lieber gab er mit kluger Zurückhaltung Hinweise, Denkanstöße und durchaus auch intellektuelle Provokationen, um dem Gegenüber dann ungeheure Freiheit zu geben bei der kreativen Weiterentwicklung von Ideen. Meine Gedanken haben sich immer gut aufgehoben gefühlt im Zwiegespräch, fanden einen kritischen, humanistischen und humorvollen Resonanzboden – das fühlte sich nach einem intellektuellen und menschlichen Zuhause an, mir sehr kostbar.

Dabei war er keineswegs jemand, der sich in vollkommener Nachgiebigkeit übte, nein, seine Positionen waren geradlinig, manchmal provokativ, zuweilen gar stur. Vor allem, wenn es darum ging, ihn zu überreden, seine Verweigerung, stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken, aufzugeben. Für double war es daher bedeutsam, dass er sich 2004 entschloss in die Gründungsredaktion einzutreten. Viel zu früh musste er sich durch Überlastung aus der ersten Reihe zurückziehen, blieb aber bis zuletzt ein wichtiger Gesprächspartner und geistiger Unterstützer unserer redaktionellen Arbeit. Wir alle werden ihn schmerzlich vermissen. Danke für all die Jahre der Begleitung, der bedingungslosen Unterstützung und, ja, der Liebe zu uns und unserer Sache.

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