Es gibt viele Möglichkeiten, das Thema Geschlecht mit der Figur anzugehen. Durch seine Formbarkeit ist das animierte Objekt ein Werkzeug, das leicht von einer sexuellen Identität zur anderen wechselt: Eine Perücke oder eine Prothese hinzugefügt oder weggenommen, und schon entsteht ein Körper, der sich vor den Zuschauer*innen transformiert. Aber das Figurentheater kann auch Geschlechtszuschreibungen durch kleine Veränderungen irritieren, indem es die gut geölte Mechanik des heterosexuellen Paares in seinem bourgeoisen Inneren durcheinanderbringt. Das ist der Ausgangspunkt der Inszenierung „L’un dans l’autre“ („Das/der eine im Anderen“, 2015) der Compagnie La Mu/ette.
Die Spieler*innen (Delphine Bardot und Santiago Moreno), beide in Himmelblau mit großem rosa Blumenmuster gekleidet, werden fast eins mit der Tapete ihrer Wohnung, die dasselbe Muster hat. In seinem goldenen Käfig singt ein schöner Vogel. Black – und der Vogel ist verschwunden. Noch ein Black – und der Mann spuckt still und leise einige rote Federn aus. Ein erster Effekt der Überlagerung der Körper, als sich die Frau auf den Mann setzt und ihn komplett verbirgt. Das neue Wesen bewegt die Arme wie ein Vogel seine angewinkelten Flügel. Nach dem nächsten Black versucht der Mann, nun auf der Frau sitzend, die femininen Beine verschwinden zu lassen, die aus seinem Schritt...