Theater der Zeit

Gespräch

Was macht das Theater, Katrin Brack?

von Katrin Brack und Ute Müller-Tischler

Erschienen in: Theater der Zeit: Sie sind zurück – Vegard Vinge und Ida Müller im Nationaltheater Reinickendorf (09/2017)

Assoziationen: Kostüm und Bühne Akteure Dossier: Was macht das Theater...?

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Herzlichen Glückwunsch, Katrin Brack, zum Goldenen Löwen. Zum ersten Mal, seit dieser Preis der Venedig Biennale auch in der Kategorie Theater vergeben wird, erhält eine Bühnenbildnerin für ihr Lebenswerk diese Auszeichnung. Wie geht es Ihnen damit?
Ich bin überwältigt, daran hab ich im Traum nicht gedacht. Ehrlich gesagt war die Theaterbiennale bisher gar nicht so präsent für mich. Und nun staune ich in Venedig über die großartige Atmosphäre, über interessante Arbeiten, die hier zu sehen sind, und wer in der Vergangenheit schon da war: Rimini Protokoll, Christoph Marthaler, Thomas Ostermeier, Pina Bausch.

Goldene Löwen der Kunstbiennale gingen auch schon an Künstler wie Tino Sehgal und Christoph Schlingensief. Jetzt erhielten Anne Imhof und Franz Erhard Walther die begehrte Trophäe. Theaterbasiertes Arbeiten macht im Kunstbetrieb die Runde. Was sagen Sie zu dieser Annäherung?
Performative Arbeiten haben in der Kunst eine lange Tradition, man denke nur an Dada, Fluxus, Happening, Wiener Aktionismus oder die Performance Art. Bildende Künstler haben auch immer wieder für das Theater gearbeitet. Umgekehrt orientieren sich natürlich auch die Theaterleute an der bildenden Kunst. Es gab also immer schon eine wechselseitige Annäherung oder Beeinflussung, und sowohl in der Kunst als auch im Theater waren und sind diese Schnittstellen besonders interessant und finden heute eben wieder verstärkt Beachtung.

Eine Ihrer letzten Arbeiten entstand für René Polleschs „Carol Reed“ im Wiener Akademietheater. „Mach mal ein Bühnenbild“, war die Ansage. Haben Sie das als Befreiungsschlag erlebt?
Oh ja! Normalerweise gibt es ja immer zuerst den Text, aus dem ich versuche, die Essenz für meinen Bühnenraum zu entwickeln. Jetzt war es genau andersherum. Pollesch hat mich gebeten, ein Bühnenbild zu entwerfen. Ich habe dann eines vorgeschlagen, das nur aus Licht und Nebel besteht. Er fand das gut, und danach ist erst der Text für das Stück entstanden. Das war eine besonders schöne Erfahrung.

Die Bühnenbilder von Katrin Brack brauchen keine Schauspieler, hat Thomas Thieme einmal gesagt. Stimmt das?
Überhaupt nicht. Meine Bühnenbilder brauchen die Schauspieler und den Text, um sich mit Bedeutung und Inhalt aufzuladen. Alle Materialien, die ich verwende – ob Girlanden, Glühbirnen oder das Konfetti –, sind zuerst nur profanes Material, erst im und durch das Spiel ergeben sich bestimmte Bedeutungs- und Interpretationsebenen. Meine Bühnen sind keine reinen Kunstinstallationen, es müssen da Menschen rein. Nehmen wir den Schnee bei „Molière“. Da weiß jeder: Das ist Kunstschnee, der schmilzt nicht, der ist nicht kalt. Das ständige Rieseln hat aber eine extreme Bühnensituation geschaffen, sowohl für die Schauspieler als auch für das Publikum. Um diesen Moment der Radikalisierung geht es mir. Meine Bühnenbilder sind weder Symbol noch Illustration, sondern sollen eine bestimmte Atmosphäre erzeugen.

Dimiter Gotscheff fand, dass Ihre Bühnenbilder glücklich machen. Sie würden erotisch wirken und bei Schauspielern kriminelle Energie auslösen. War das eine gewagte Idee?
Ich habe keine Ahnung. Obwohl: poetisch, sinnlich, anregend oder anstiftend sind meine Arbeiten hoffentlich. Aber mir geht es vor allem um die Reduktion auf das Wesentliche, ums Weglassen und um elementare Situationen, die auch Gotscheff in seiner Regiearbeit anstrebte. Aber ich gebe nicht zwingend vor, was auf der Bühne geschieht, es sind vielmehr Angebote. In jedem Fall sind es aber die Schauspieler, die meine Arbeit funktionieren lassen und ihr den eigentlichen Sinn geben.

Wie geht es weiter in der neuen Spielzeit?
Ich arbeite gerade am Bühnenbild für das Stück „Radetzkymarsch“, das Johan Simons am Burgtheater Wien inszenieren wird. Im Dezember ist Premiere. Das Bühnenbild ist fast fertig, und es war keine einfache Sache für mich. „Radetzkymarsch“ in Wien, das passt perfekt zusammen, ist aber auch eine große Herausforderung. Ich hoffe, dass ich jetzt etwas Interessantes gefunden habe. Mit Luk Perceval plane ich gleich danach „Rosa Rozendaal“, ebenfalls in Wien, am Akademietheater. Im Januar beginnen die Proben. Bei diesem Stück geht es um das Thema Demenz. Auf beide Stücke freue ich mich. //

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