Um 18:09 Uhr beginnt die Maschine zu rollen. Durch die geöffneten Tore der Belgienhalle in der Berliner Siemensstadt schiebt sich majestätisch und monströs zugleich ein stählerner Eisenbahnwaggon mit gerüstartigem Aufbau. Lichtkegel durchstechen die Szenerie, als suchten sie am Hallenhimmel nach feindlichen Fliegern, kraftprotzend untermalt von den ersten Takten aus Richard Strauss’ „Zarathustra“-Sinfonie. Eine Welt entsteht. Eine Welt vergeht. Was für ein Spektakel.
Es liegt in der Natur der Aufmerksamkeitsökonomie des Menschen, dass speziell jene Ereignisse eine erhöhte Beachtung finden, die jenseits von Kategorien wie Machbarkeit und Risikoabwägung operieren. Paulus Mankers Inszenierung von Karl Kraus’ Monumentalwerk „Die letzten Tage der Menschheit“ ist ein solches Ereignis. Vom Autor selbst als extraterrestrisches „Marstheater“ tituliert, ist das Stück, das sich in 220 grell collagierten Szenen und im schnellen Wechsel von 1114 Figuren mit der Anbahnung und dem Verlauf des Ersten Weltkriegs befasst, nicht gerade ein Renner im gängigen Theaterkanon-Repertoire, wobei es nicht nur die schiere Dimension war, die sogar Kraus vor einer szenischen Umsetzung zurückschrecken ließ. Er fürchtete schlicht das „Zurücktreten des geistigen Inhalts vor der stofflichen Sensation“.
Diese Weissagung des Autors wird einem zu Beginn des siebeneinhalbstündigen Höllenritts durch den Krieg immer wieder durch den Kopf geistern, wenn an einem verstört lächelnde Zuschauer...