Künstlerporträts
Der verrückte Mund des Regisseurs
Jiří Adámeks Arbeiten am Wortlaut
von Michal Zahálka
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: Tschechien (09/2018)
Assoziationen: Akteure Sprechtheater Europa
Das tschechische Theater ist nicht eben für seine Präzision bekannt – in Jiří Adámek hat es allerdings einen Schöpfer, dessen Präzision über alles erhaben ist. Sein Theater ist stets rein, fein ziseliert, aber gleichzeitig immer überraschend. Nicht selten genügen ihm dabei lediglich ein Mikrofon, ein Schauspieler, Licht – und Musik, die er durch Sprache zu erschaffen versteht.
In seinem Werk entfaltet der 1977 geborene Regisseur vor allem die Möglichkeiten hochstilisierter Chor-Rezitation, bei der sich der natürliche Rhythmus der Sprache den Gesetzmäßigkeiten der Musik unterordnet, Wörter so fragmentarisiert werden, dass sie an den äußersten Rand der sprachlichen Abstraktion geraten. Die Musik erwächst aus der Melodie des Gesprochenen. Adámek stellt außergewöhnliche Ansprüche an die technischen Fähigkeiten der Schauspieler: Sie müssen nicht nur Rhythmus und Bühnensprechweise perfekt beherrschen, sondern auch einen ausgeprägten Sinn für den hingetuschten, stellenweise lediglich zu ahnenden Inhalt haben, der dennoch den Kern seiner Inszenierungen bildet.
Mit fünf derart begabten Schauspielern gründete Adámek 2007 seine eigene Theatergruppe Boca Loca Lab (das spanische boca loca bedeutet „verrückter Mund“). Gleich mit der ersten Inszenierung namens „Tiká tiká politika“ (auf Deutsch etwa „Tick-tack-tick-Politik“) feierte das Boca Loca Lab auch auf internationalen Festivals Erfolge, zum Beispiel bei Kontakt im polnischen Toruń oder beim Berliner...