Raskolnikow ist eine Frau. Schauspielhaus Bochum, Spielzeit 2016/17, Dostojewskis „Schuld und Sühne“ beziehungsweise „Verbrechen und Strafe“, wie der Roman seit der Neuübersetzung von Swetlana Geier heißt. Raskolnikow, der Jurastudent, der eine Pfandleiherin und deren Schwester erschlug, um der Welt zu beweisen, dass ein freier Mensch seinen eigenen Gesetzen folgen darf, wird von der Schauspielerin Jana Schulz gespielt. Das Geschlecht der Darstellerin ist im Grunde Nebensache. Weder verstellt Jana Schulz ihre sehr helle Stimme, noch wird sie in ein männliches Outfit gepresst; die blonden Haare sind lediglich zu einem Knoten gebunden. Ihr Kostüm, einem Pyjama ähnlich, ist geschlechtsneutral. Wenn Raskolnikow mit Sonja flirtet, der er schließlich sein Verbrechen gestehen wird, ist er/sie der Partnerin freundlich zugewandt, doch sexuelle Untertöne fehlen. Es geht in der Inszenierung des polnischen Regisseurs Jan Klata offenbar nicht um ein Geschlechtswesen, sondern um einen Menschen. Und Jana Schulz begreift sich als eine Menschenspielerin. Wie kaum eine andere Schauspielerin zuvor hat sie die geschlechtliche Identität der von ihr gespielten Figuren nicht überwunden, sondern – zur Nebensache erklärt. Und das Postulat, dass jede(r) jede(n) spielen kann, mit Leben erfüllt.
Düsseldorf, Ende Januar, der zweite Probentag für Euripides’ „Medea“ in der Inszenierung von Roger Vontobel, den Schulz seit der gemeinsamen...