Theaterpraxis zwischen Tradition und Zeitgenossenschaft
Im Herzen des Figurentheaters in Togo
von Simone Thon und Vicky Tsikplonou
Assoziationen: Puppen-, Figuren- & Objekttheater Afrika
Das Puppen- und Marionettenspiel in Togo ist eine sehr vielfältige Kunstform, die von der kulturellen Diversität und dem reichen Kulturerbe des Landes zeugt. Vor dem 20. Jahrhundert galt die Marionette als mystisches Objekt und war Bestandteil von Riten und Heilpraktiken. 1976 wurden Marionetten zum ersten Mal im Theaterkontext für Aufführungen genutzt, zu Beginn mangelte es an Wertschätzung und Verständnis für diese Kunstform, sie wurde aber bald auch auf internationaler Ebene anerkannt: Togo war das erste Land, das Subsahara-Afrika beim fünften Festival Mondial des Théâtre de Marionette (Weltfestival des Marionettentheaters) in Frankreich vertreten konnte.
Die Entwicklung des togoischen Figurentheaters beginnt mit den Aktivitäten des Künstlers Danaye Kalanfeï. Seine Marionetten ziehen ihre Inspiration aus tchitchili, Darstellungen von Geistern der Ahnen der Moba (Ethnie im Norden Togos). 1978 gründet er das Théâtre National de Marionnettes du Togo (Nationales Puppentheater Togos).
Die meisten togoischen Puppenspieler*innen bauen ihre Figuren zu Hause oder in den Räumlichkeiten ihrer Compagnien, die als Aufführungsort, Probenraum und Atelier zugleich dienen. Für die Herstellung benutzen alle Gruppen ähnliche Materialien, z. B. Kalebassen, Bast, Eisendraht, Cauri-Muscheln und Stoff, Recyclingmaterial wie Kronkorken, Pappkartons, Sägemehl, Maiskolben, Konservendosen und Plastikflaschen. Als Kulisse dient meist ein Puppentheater, auf dem die sehr unterschiedlichen Figuren während der Vorstellung frei bewegt werden können. Häufig wird das Geschehen auf der Bühne von Percussion, Gesang und Kastagnetten begleitet.
Die verschiedenen Compagnien, die sich formiert haben, decken ein breites Spektrum an Themen und ästhetischen Formen ab. Die Compagnie Danaye inszeniert traditionelle Erzählungen und Geschichten für Kinder und Erwachsene und überträgt sie in den zeitgenössischen Kontext. Das Frauenkollektiv Troupe Bouam, rund um Adama Bacco, zeichnet sich durch seinen interdisziplinären Ansatz aus und organisiert ein internationales Festival Emergence talents de marionnettistes. Die von Houndegla Akakpo, einem Schüler Kalanfeïs, gegründete Compagnie Calebasse et Cauris legt ihren Fokus auf Gesundheitsthemen und betreibt Aufklärungsarbeit über HIV/AIDS. Vicky Tsikplonou, Autorin dieses Textes, ist die Gründerin der Compagnie Evaglo, die sich mit Frauen- und Kinderrechten befasst. Die Puppenspielerinnen geben Workshops in Puppenbau für Straßenkinder und Menschen mit Behinderung. Die Troupe Eka ist spezialisiert auf Inszenierungen für Kinder. Sie haben Fernsehauftritte, gestalten aber z. B. auch Kindergeburtstage in Parks. Die togoische Landschaft des Marionettentheaters ist in den letzten Jahrzehnten durch diese Gruppen zu einer facettenreichen und besonderen Landschaft geworden.
Als Straßenkunst entstanden, findet Figurentheater heutzutage in diversen künstlerischen und sozialen Kontexten statt. Wie alle anderen Künste auch, leidet das Figurentheater unter fehlenden Fördermitteln. Künstler*innen, finanzielle Unterstützter*innen und politische Entscheidungsträger*innen müssen zusammenarbeiten und Strukturen gemeinsam professionalisieren, um die Kunst des Puppentheaters vor dem Verschwinden zu bewahren.
Die Kunst des Puppenspiels ist ein wirksames Mittel zur Sensibilisierung und Bildung der Gesellschaft. Sie ermöglicht eine Diversifizierung der pädagogischen Mittel bei der Arbeit mit Kindern. Wenn es gelingt, Begeisterung für diese Kunstform bei jungen Menschen zu wecken und der Staat entsprechende Unterstützung garantiert, dann steht der Kunst des Puppen- und Marionettenspiels eine blühende Zukunft bevor.