Theater der Zeit

lausitz

Theater in der Niederlausitz

Kartografie der Theater-Lausitzen I

Die Lausitz in Brandenburg und Sachsen verbindet Naturschönheit mit der gewaltigsten Landschaftsumgestaltung der Bundesrepublik und immer neuen Transformationsplänen. Mit den fünf Theaterstädten Cottbus, Senftenberg, Bautzen, Görlitz, Zittau bildet sie auch eine eigene Theaterlandschaft als Kulturträger.

von Thomas Irmer

Erschienen in: Theater der Zeit: Sterne über der Lausitz – Die Schauspielerinnen Lucie Luise Thiede und Susann Thiede (03/2022)

Assoziationen: Sachsen Brandenburg Neue Bühne Senftenberg Staatstheater Cottbus

Ehemaliger Braunkohletagebau Cottbus-Nord. Foto picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/ Patrick Pleul
Ehemaliger Braunkohletagebau Cottbus-Nord.Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/ Patrick Pleul

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Die Niederlausitz, die historisch einst gleich hinter den Ber­liner Müggelbergen anschloss, wurde von Theodor Fontane vielfach als reizender Anblick beschrieben. Als wendische Kleinodien, sprich: von den Sorben in den schier unendlichen Verzweigungen der Spree besiedeltes Gebiet mit ganz eigener Prägung – im Spreewald. Heute führen der Regionalexpress nach Cottbus und die Autobahnabfahrt Lübbenau in diese Landschaft, die sich bis über die polnische Grenze zieht. Kommt man vom Süden her, aus Sachsen, zeigen sich in der Niederlausitz ganz andere Landschaften: ehemalige Braunkohletagebaue, ausgekohlt aufgelassen oder zu künstlichen Seen gefüllt oder demnächst dafür geplant. Paradies und Mondlandschaft, historisch Gewachsenes und brüchiges Großgelände, das ist die Niederlausitz auch als Landschaft der Kultur, mit zwei wichtigen Theaterstädten.

Das Staatstheater Cottbus ist das einzige Viersparten-Haus im Land Brandenburg mit Oper/Musiktheater, Schauspiel, Ballett und Orchester. Der 1908 eröffnete Jugendstilbau gilt als Juwel der Theaterbauten jener Epoche. Nach der Wende ging das Stadttheater Cottbus in die Trägerschaft des Landes über und wurde von 1993 bis 2003 von Christoph Schroth als Intendant geleitet. Schroth führte vor allem das Schauspiel zu überregionaler Bedeutung, achtete auf langfristige Ensembleaufbauarbeit und ent­wickelte neue Formate wie das jährliche Spektakel „Zonenrand­ermutigung“. Ihm folgte Martin Schüler, der dem Musiktheater zu wachsender Beachtung verhalf und alle Sparten einbeziehende Produktionen inszenierte. Seit 2019 ist Stephan Märki Intendant, der Autor und Regisseur Armin Petras künftig sein Schauspiel­direktor.

Neben dem Staatstheater gibt es das Piccolo Theater in ­Cottbus, Kinder- und Jugendtheater mit einer Puppenspielsparte und einem seit vielen Jahren überregional beachtetem Jugendclub, wo Lucie Thiede (Siehe S. 16) mit ersten Schritten die Bühne betrat. Das Piccolo wurde 1991 von dem Liedermacher Reinhard Drogla, dem Schauspieler Werner Bauer und Peter Förster in einer Zeit der engagierten Nachwendeinitiativen gegründet, arbeitete zunächst im soziokulturellen Zentrum Glad House und fand dann eine eigene Spielstätte im Töpferturm im Stadtzentrum. Das Theater im Format einer modernen Studiobühne bildete über Jahre eine parallele Ergänzung zum Staatstheater und befand sich dabei in der Liga der noch wenig ausdifferenzierten Landschaft der freien Theater im Land Brandenburg. Ein neues Pic­colo wurde 2011 eröffnet, das neben dem Theater in Brandenburg und dem Kleist-Forum in Frankfurt (Oder) zu den beachtlichen Theaterneubauten der Nachwendezeit im Land gehört. Das Piccolo wird finanziert mit einem Haushaltstitel des Landes und Mitteln der Stadt Cottbus. Eine weit in die Niederlausitz ausstrahlende Spezialität war über Jahre das Sommer­theater auf dem Klosterplatz, jetzt auf der hauseigenen Open-Air-Bühne. Eine Novität wird seit 2012 mit dem Theater für die Allerkleinsten geboten, das von der Piccolo-Schauspielerin und Regisseurin Heidi Zengerle mit großem ­Zuspruch von Kindern, Eltern und der Fachkritik in Mitmach-Performances für Kinder ab zwei Jahren entwickelt wurde.

Eine gänzlich andere Geschichte hat die Neue Bühne im 35 Kilometer südwestlich gelegenen Senftenberg. Sie wurde 1946 auf Anregung der sowjetischen Besatzungsbehörden als Stadttheater Senftenberg gegründet, ab 1959 Theater der Bergarbeiter. Zu DDR-Zeiten ein gut ausgestattetes Mehrsparten-Haus, war das Theater in den frühen sechziger Jahren Ort wichtiger Uraufführungen von Peter Hacks und Heiner Müller mit Stücken über den sozialistischen Aufbau. Ab 1993 gab es nur noch das Schauspiel als einzige Sparte, die aber mit einzelnen Produktionen in den Intendanzen von Heinz Klevenow (1989–2004) und als breit aufgestelltes Volkstheater unter Sewan Latchinian (2004–2014) und Manuel Soubeyrand (2014–2022) immer wieder von sich reden machte. Ab der kommenden Spielzeit wird die Neue Bühne von Daniel Ris geleitet. Eine Spezialität ist die große ­Freilichtbühne am Senftenberger See. //

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