Einleitung: Theatralität und direkte Aktion
von Matthias Warstat
Erschienen in: Recherchen 174: Interventionen politischen Theaters (07/2025)
Wer sich heute systematisch mit politischem Theater beschäftigen möchte, steht gleich zu Beginn vor einer grundsätzlichen Entscheidung: Soll es um politisches Theater als künstlerische Praxis, also um eine bestimmte Richtung des Kunsttheaters gehen, oder richtet sich das Interesse allgemeiner auf theatrale Formen in der Politik? Wie man die Potenziale und die Bedeutung von politischem Theater einschätzt, wird wesentlich von dieser Entscheidung abhängen.1 Trotz aller Versuche, das professionelle Theater – d. h. im deutschsprachigen Raum das Stadt- und Staatstheater sowie die freie Szene – für breite Bevölkerungsschichten zu öffnen und das Publikum entsprechend zu erweitern, ist Theater heute eine Kunstpraxis, die von vielen ignoriert und nur von relativ kleinen Teilen der Bevölkerung zur Kenntnis genommen wird.2 Nicht erst seit Kurzem wird dem Theater seine soziokulturelle Exklusivität zum Vorwurf gemacht, obwohl viele öffentlich subventionierte Häuser ständig bemüht sind, über verbesserte Vermittlungsangebote und einen Ausbau der Theaterpädagogik ein neues, gerade auch junges Publikum für sich zu gewinnen.3 Im deutschsprachigen Raum finden sich die Theater in der Regel nicht damit ab, nur für ein relativ gut situiertes und gebildetes Milieu zu spielen. Gerade viele politische Inszenierungen und Projekte versuchen, Milieugrenzen zu überwinden und verschiedenste Segmente der Stadtgesellschaft zu erreichen.4 Trotzdem...