Das Theater hat ein Klassenproblem. Ich habe lange gebraucht, um diesen Befund so klar formulieren zu können. Gespürt habe ich meinen class trouble immer. Nur war „Klasse“ lange Zeit keine Kategorie im öffentlichen Diskurs. Also dachte ich: Ich bin falsch, nicht das System.
Meine Liebe zum Theater ist eine späte Liebe, sie beginnt in den neunziger Jahren mit der Berliner Volksbühne. Andere wachsen in einer Theaterfamilie auf oder sind schon mit zehn Mitglied im Jugendclub. Ich nicht. In meinem kleinbürgerlich geprägten Elternhaus der westdeutschen Provinz der achtziger Jahre war Theater kein Thema (da hieß es höchstens: „Mach nicht so ein Theater“).
Dass ich mich in der Volksbühne und ihrem jungen akademischen Publikum trotzdem heimisch gefühlt habe, lag sicher auch daran, dass dem Gefühl nach damals alle dorthin gingen. Erst als ich die Seiten wechselte und anfing, selbst für die Bühne zu schreiben, begann ich zu hadern und meine kleinbürgerliche Herkunft noch verschämter zu verschleiern. Ich fühlte mich fehl am Platz. Heute weiß ich, dass das mehr als ein Gefühl war. Mir fehlte das soziale Selbstbewusstsein sowie das berühmte hot knowledge, um mich in diesem komplexen sozialen Feld zu orientieren, geschweige denn zu professionalisieren. Auch kollidierte das Theatermilieu gewaltig mit...