Theater der Zeit

Gemeinsam/Allein

Publikum in digitalen Performances

von Doris Kolesch

Erschienen in: Recherchen 165: #CoronaTheater – Der Wandel der performativen Künste in der Pandemie (08/2022)

Assoziationen: Performance Dossier: Digitales Theater

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Es hat sich zum geflügelten Wort entwickelt, die Corona-Pandemie als Brennglas für in unseren Gesellschaften vorhandene Probleme und Defizite zu sehen. Wir wussten es vorher, aber Corona hat in Deutschland (und nicht nur hier) den Rückstand mit Blick auf Digitalisierungsprozesse in Schulen, Verwaltungen und im Gesundheitssystem, aber auch mit Blick auf die ungleiche, auch im beginnenden 21. Jahrhundert noch immer einseitig geschlechtsbezogene Verteilung häuslicher Care- und Betreuungsarbeit oder auch bezüglich der massiv überfordernden und zu Lasten der Beschäftigten gehenden Zumutungen in der Betreuung kranker und/oder pflegebedürftiger Mitmenschen mit geradezu erschreckender Klarheit und Deutlichkeit vor Augen geführt. Ich möchte die Liste der virulenten gesellschaftlichen Problemlagen, die durch die Pandemie hervorgekehrt, zur Kenntlichkeit entstellt und geradezu vorgeführt wurden und werden, hier nicht weiter verlängern, sondern in diesem Beitrag nach dem fragen, was das Brennglas der Pandemie mit Blick auf die Publika der performativen Gegenwartskünste zum Vorschein brachte. Auch dies, das werde ich zu zeigen versuchen, ist nichts wirklich Neues, nichts, was uns gänzlich überraschen könnte, aber doch eine – wie ich denke – bemerkenswerte Akzentuierung und Verschiebung des Blicks und der Koordinaten.

Ich habe mein offenes, sich noch mitten in der Bewegung und Abwägung befindendes, keineswegs abgeschlossenes Nachdenken unter den Titel Gemeinsam/Allein gestellt. Beide Formulierungen, also gemeinsam oder Gemeinsamkeit ebenso wie allein oder Alleinsein sind keine theaterwissenschaftlichen oder überhaupt wissenschaftlichen Begriffe und sie sind schon gar keine analytischen Konzepte.1 Sie scheinen mir jedoch als Ausgangspunkte geeignet, um die Zumutungen und Herausforderungen von Corona sowie die mittel- wie langfristigen Auswirkungen der Pandemie für Theater und Performances in Bezug auf das Publikum einzufangen. Denn gemeinsam und allein sind jeweils zwei Extrempole subjektiver Befindlichkeit, Zugehörigkeit und Verortung, die erstaunlicherweise nur zusammen wesentliche Positionierungen und Figurationen eines Präsenzpublikums präzise beschreiben: Gemeinsam, denn ein Präsenzpublikum zeichnet sich meistens durch eine Anzahl verschiedener Personen aus, das kann eine kleine Gruppe, das können aber auch – im Theater – 800 oder 1000 oder noch mehr Menschen sein, die sich gemeinsam an einem Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt versammeln, um ihre Aufmerksamkeit idealerweise primär auf ein Aufführungs- oder zumindest ein Beziehungsgeschehen zwischen Akteur*innen und Teilnehmenden zu fokussieren. Dabei besteht ein Publikum zumeist aus einander fremden Personen, wenngleich einzelne Publikumsmitglieder als Freund*innen, Ehe- oder Lebenspartner*innen, Schulklasse, Theaterverein oder auch Studierende durchaus auch außerhalb der theatralen Zusammenkunft Kontakte oder gar persönliche Beziehungen unterhalten können. Und diese weitgehend einander fremden Personen werden durch ihre Adressierung als Publikum einer Aufführung überhaupt erst hervorgebracht und treten körperlich in Erscheinung.2 Nun könnte man einwenden, dass die in den letzten zwei Jahrzehnten – also lange vor Corona – zunehmend etablierten one-on-ones im Rahmen von Aufführungen der These von der Kollektivität theatraler Rezeption widersprechen, da sie aufzeigen, dass ein Publikum auch aus nur einer Person bestehen kann. Seit Beginn des neuen Jahrtausends mehren sich Produktionen, in denen entweder einzelne Zuschauer*innen zumeist vor den Augen der anderen ausgewählt werden, um an einem vom Rest des Publikums separierten Ort eine besondere Begegnung zwischen Performer*in und Zuschauer*in zu ermöglichen, oder die sich überhaupt nurmehr an einzelne Teilnehmer*innen richten.3 Ein Blick in die Geschichte der Performance-Kunst zeigt zudem, dass sich schon früh eine Tradition von Performances ohne Publikum herausgebildet hatte, wie die Aktion ohne Publikum (#35) von Tomas Schmit (1965) oder die Silueta Series von Ana Mendieta (1973 – 1980) – um hier nur zwei Beispiele in einer langen Liste von Performances ohne Publikum zu nennen –, hier konnte ein Präsenzpublikum überhaupt nicht in Erscheinung treten. Gleichwohl möchte ich argumentieren, dass derartige Arbeiten ihre Kraft und ihr Potential gerade aus der negativen Bezugnahme auf eine kollektive Zuschauer*innenschaft gewinnen. Die Kollektivität des Rezeptionsprozesses kennzeichnet mithin theatrale Publikumserfahrungen – im Unterschied beispielsweise zur Erfahrung des stillen Lesens allein oder auch der anders gearteten Kollektivität von Museumspublika, deren Mitglieder weit loser räumlich wie zeitlich konfiguriert sind und die – außer eventuell beim Schlange-Stehen vor dem Museum – kaum kollektive Choreografien ausführen und auch selten synchronisiert Interesse, Beifall oder Ablehnung bekunden, wie Präsenzpublika dies durch Applaus, Buhrufe und Ähnliches tun.4

Damit sind wir beim zweiten Term: allein. Die grundsätzlich gemeinschaftliche Rezeption einer Theateraufführung oder einer Performance steht nicht im Widerspruch dazu, dass diese Rezeption zugleich eine paradigmatische Situation der Erfahrung von Dissonanz, Nicht-Zugehörigkeit oder Alleinsein darstellen kann, eine Erfahrung von Vereinzelung, die gerade in und aufgrund der kollektiven Situation umso deutlicher hervortritt. Wer kennt zum Beispiel nicht die Erfahrung, dass scheinbar das gesamte Auditorium herzlich lacht, während man selbst offenbar als einzige*r den Witz nicht verstanden oder den falschen Humor hat. Oder man ist mental wie körperlich geradezu gebannt von einem Aufführungsgeschehen, wird aber durch gelangweilt tuschelnde oder die letzten News-Feeds am Smartphone überfliegende Sitznachbar*innen immer wieder mit der Hinterfragung der eigenen Wahrnehmungserfahrung konfrontiert.

Die titelgebende Wortkombination Gemeinsam/Allein wird damit zu einem Suchbegriff für eine noch kaum näher untersuchte und schon gar nicht befriedigend beantwortete Frage danach, wie sich Individualität und Kollektivität, wie sich das Verhältnis von Einzelne*r und Gruppe in einem spezifischen Theaterpublikum und innerhalb von Theaterpublika allgemein verhalten. Sowohl die künstlerische Praxis als auch die wissenschaftliche Forschung halten sich hier gerne im Unbestimmten auf. Je nachdem, was man akzentuieren möchte, wird mal von der Zuschauer*in oder Teilnehmer*in im Singular gesprochen – so beispielsweise wenn die sinnliche Intensität einer Aufführungserfahrung betont werden soll –, mal vom Publikum im Kollektivsingular – zumeist dann, wenn eher die soziale und politische Dimension von Theater herausgestellt wird. Unbestritten ist, dass es Publikumserfahrungen und Verhaltensweisen von Publika gibt, die nur in und als Kollektiv möglich sind – rhythmisches Klatschen zum Beispiel oder frenetischer Applaus am Ende einer Aufführung. Doch wenn von dem oder von einem Publikum gesprochen wird, dann darf mit dieser gebräuchlichen Formulierung im Singular die Heterogenität, Diversität und Unterschiedlichkeit einzelner Publikumsmitglieder oder auch einzelner Gruppierungen innerhalb eines Publikums nicht ignoriert werden. Helen Freshwater unterstreicht entsprechend:

So, although it is possible to speak of ›an audience‹, it is important to remember that there may be several distinct, co-existing audiences to be found among the people gathered together to watch a show and that each individual within this group may choose to adopt a range of viewing positions.5

Publikum-Sein ist ubiquitär geworden

Doch was haben diese Überlegungen zum Spannungsverhältnis von Individualität und Kollektivität in Publika mit Corona-Theater zu tun? Ich möchte argumentieren, dass die Krise der Theater durch die Pandemie nicht nur eine ökonomische Krise war und noch immer ist und nicht nur eine »Krise der Versammlung«6, sondern dass sie insgesamt ein neues, wenngleich durchaus bekanntes Verständnis von Theater ermöglicht und verstärkt hat. Während das Theater vor Corona nämlich vor allem um Aufführungen zentriert war und die Aufführung der Nukleus dessen war, was von Theatern und Performances produziert und distribuiert sowie von Publika rezipiert wurde, initiierte die Corona-Pandemie eine Verschiebung. Nicht mehr was gespielt oder gezeigt wird und auch nicht mehr wie gespielt oder gezeigt oder agiert werden kann, stand im Mittelpunkt, sondern wie ein Kontakt zum Publikum überhaupt geknüpft, aufrechterhalten, gepflegt und gestaltet werden kann. Das Brennglas der Pandemie hat mithin die Frage nach der Relevanz, der Rolle und Verfasstheit des Publikums neu aufgeworfen.

Dies geschah in einer gesellschaftlichen Situation, in der Publikum-Sein längst kein separiertes, begrenztes Verhalten im Kontext von Kunstformaten, politischen Veranstaltungen oder Sportevents mehr darstellt, sondern ubiquitär geworden ist. Beständig agieren wir als Publikum – das heißt wir beobachten, wir werden direkt adressiert und fühlen uns adressiert und wir bewerten, was wir sehen – paradigmatisch dafür können insbesondere, aber nicht nur die sozialen Medien angeführt werden. Die Soziologen Nicolas Abercrombie und John Longhurst stellten in ihrer Rekapitulation moderner Publikumsformen die These auf, dass in der Gegenwartsgesellschaft jede*r jederzeit Publikum sei. Teil eines Publikums, Teil einer »diffused audience«7 zu sein, wird gleichsam zum Dauerzustand: »The essential feature of this audience-experience is that, in contemporary society, everyone becomes an audience all the time. Being a member of an audience is no longer an exceptional event, nor even an everyday event. Rather it is constitutive of everyday life.«8 Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Auch in weiten Teilen des Arbeitslebens muss Arbeit und Leistung heute als Performanz vor einem Publikum – den anderen Kolleg*innen, den Chef*innen, den Kund*innen – aufgeführt und von diesen als solche bewertet und anerkannt werden. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass Situationen des Castings als Formen einer Probeperformanz unter extremen Wettbewerbsbedingungen zunehmend bis dato vorherrschende Formate wie Auswahlgespräche, Prüfungen, Arbeitsproben und Ähnliches ersetzen, und zwar auch in Branchen außerhalb von Theater, Film oder Mode.9

Die Pandemie als Katalysator

In der Pandemie stellt die theatrale Kunst der Versammlung plötzlich keinen Möglichkeitsspielraum mehr dar, sondern die potenzielle Gefahr einer Ansteckung mit einem lebensbedrohlichen Virus. Wenn das gemeinsame Zusammenkommen von Menschen in leiblicher Ko-Präsenz in einem geteilten Zeit-Raum zum gesundheitlichen Risiko wird, dann steht Theater grundsätzlich in Frage. Viele Theaterschaffende haben auf diese einschneidenden Erfahrungen auf höchst unterschiedliche und innovative Weise reagiert, wobei sich – nicht zum ersten Mal – vor allem die Freie Szene, also gerade Künstler*innen, die finanziell und institutionell am wenigsten (ab-)gesichert sind, als besonders wagemutig, neugierig und experimentierfreudig erwiesen haben: Kamera, Mikrofon, Internet und andere technische Möglichkeiten waren nun nicht mehr Mittel neben anderen, die im Rahmen einer theatralen Aufführung genutzt werden konnten (oder auch nicht) – sie waren vielfach die einzig möglichen Formen, um mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben und Aufführungen zu realisieren.

Besonders bemerkenswert an der Situation der Theater in der Pandemie erscheint mir zum einen, dass die öffentliche Wahrnehmung der Theater im diametralen Kontrast zu deren Aktivitäten stand: Während nämlich selbst Expert*innen, die es besser wissen müssten (wie die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters oder auch führende Theaterkritiker*innen wie Peter Kümmel in der ZEIT10), davon sprachen, dass die Theater geschlossen seien und suggerierten, dass in ihnen quasi nichts stattfinde, waren die Theaterhäuser zwar geschlossen, aber dennoch höchst aktiv; sie erprobten, ebenso wie Theater- und Performance-Gruppen ohne festes Haus, technische Möglichkeiten und digitale Plattformen und entwickelten unter Hochdruck neue, zumeist (aber nicht nur) digitale Aufführungsformate. Zum anderen hat, wie schon erwähnt, mit der Pandemie eine Verschiebung des Fokus stattgefunden. Stand bislang vor allem die künstlerische Aufführung produktions-, distributions- wie rezeptionsseitig im Zentrum, bewirkte die Pandemie, dass Theater (und zwar sowohl die Institution Theater als auch die Theaterschaffenden, von der Schauspieler*in bis zur künstlerischen Leitung) und Publikum sich vor allem fragten, wie sie zueinanderkommen können. Theaterschaffende und Performer*innen eruierten insbesondere Formen der Ansprache und Aktivierung des Publikums sowie des Kontakts mit ihm. Diese medialen Fragen führen immer die politische Dimension und Funktion von Theater mit sich und stellen die gemeinsam geteilte Form der sozialen Zusammenkunft als wesentliches Moment des Politischen heraus.

Bevor ich mich im Folgenden auf digitale Aufführungen konzentriere, möchte ich der Vollständigkeit halber erwähnen, dass einige Theater auch bewusst andere, nicht dominant digitale Wege eingeschlagen haben, um in Kontakt und in ein poetisches Spiel mit dem Publikum zu kommen. So versuchte Wajdi Mouawad, der künstlerische Leiter des Théâtre de la Colline in Paris, mit seinem Format Ins Ohr geflüstert (Bouche à oreille) eine Art stimmlichen Ariadne-Faden zwischen Menschen zu knüpfen. Am Telefon (das heute natürlich auch ein digitales Medium ist) wurde nach Art des Kinderspiels Stille Post von Mouawad eine circa zwanzigminütige Erzählung einer Dialogpartner*in erzählt, die dann zwischen weiteren Künstler*innen und Zuschauer*innen, die in diesem Fall Zuhörer*innen waren, am Telefon immer und immer wieder weitererzählt, mal relativ getreu dem Gehörten, mal relativ frei, je nach Entscheidung der Erzähler*innen und je nach Erinnerung. Am Schluss kam die Geschichte, die nicht auf die zwanzigminütige Erzählung zu reduzieren ist, sondern die gesamte narrative Gemeinschaftsarbeit des Erzählens, Zuhörens und Weitererzählens umfasste, wieder ins Théâtre de la Colline zurück und wurde als Inszenierung gezeigt.11

Digitale Aufführungen

Doch nun zu den digitalen Möglichkeiten, mit denen viele Theater und Performance-Gruppen experimentiert beziehungsweise die sie genutzt haben. Dabei kam es zu einer großen Varianz und Bandbreite, und es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Theater und Performance alle möglichen digitalen Mittel ausprobieren, dass es hier also a priori keine Einschränkungen gibt, zumindest dann, wenn Fragen der finanziellen und technischen Verfügbarkeit geklärt sind. Manche Theater begnügten sich – insbesondere zu Beginn der Pandemie – damit, Videos von früheren Aufführungen, aus dem Theaterarchiv ins Netz und – häufig kostenlos – zur Ansicht zur Verfügung zu stellen. Das war eine wunderbare Chance, um einige Aufführungen, die man live verpasst hatte (oder aus biografischen Gründen, da sie z. B. vor der eigenen Geburt stattgefunden haben, nicht hatte sehen können), zumindest als Videoaufnahme am heimischen Rechner zu verfolgen. Andere Theater hingegen experimentierten mit unterschiedlichsten Formen digitaler Aufführungen, sie erprobten geeignete Plattformen und Formate, boten Zoom-Aufführungen und kombinierten dabei vielfach verschiedene aus den sozialen Medien bekannte Nutzungsweisen wie Chats, Emojis, Abstimmungen oder Ähnliches und nutzten gebräuchliche Apps wie WhatsApp, Instagram oder Telegram.12 Insbesondere in der kurzen Phase leichter Rücknahmen einiger pandemiebedingter Einschränkungen im Herbst 2020 in Deutschland waren zudem zahlreiche hybride Aufführungen zu erleben, in denen ein kleines Präsenzpublikum im Theatergebäude und ein verstreutes Online-Publikum zu Hause auf je unterschiedliche Weise eine Aufführung verfolgten. Weit verbreitet waren auch Streams von Aufführungen oder es wurden ganz neue, digitale Theaterformate entwickelt, wie werther.live des Freien Digitalen Theaterprojekts.13 Goethes Geschichte um die Liebesleiden des jungen Werther wurde hier mittels Splitscreen, WhatsApp, Sprachnachrichten, Zoom, Skype und Ebay in die durch und durch mediatisierte Welt des 21. Jahrhunderts transponiert und der Desktop wurde zur Bühne. Die Produktion adaptierte nicht einfach unterschiedliche mediale Formate, sondern entwickelte mittels verschiedener analoger wie digitaler Praktiken und Technologien eine neue, hybride Form von Performance, die den digitalen und virtuellen Raum kongenial nutzte.

Auch eine Twitter-Aktion wie #vorstellungsänderung des Burgtheaters Wien sei hier genannt. Dabei waren am 12. Mai 2020 hunderte Menschen folgender Einladung auf Twitter gefolgt: »Was stellen Sie sich eigentlich vor?! – Wir möchten das herausfinden und laden zu unserem ersten Twittertheaterabend: Kommen Sie morgen Abend nicht ins Akademietheater und twittern Sie, was Sie nicht sehen.«14 Die Doppeldeutigkeit des Begriffs Vorstellung – als Theatervorstellung und als Imagination – wurde hier genutzt, um kollaborativ von einem Theaterabend zu erzählen, der gar nicht stattgefunden hatte, und um mit einem Publikum, das sich nicht vor Ort im Theater versammeln durfte, einen gemeinsamen Erfahrungshorizont zu entwickeln. In ganz anderer Weise als eingangs von mir am Beispiel von Präsenzpublika skizziert, wurde die Dialektik von Gemeinsam-Allein-Sein bei dieser Aktion ins Werk gesetzt: Die beteiligten Personen waren alleine, für sich (höchstens waren noch andere Personen aus dem eigenen Hausstand involviert), doch sie realisierten gemeinsam, kollaborativ eine Erzählung, für die Twitter die technische und mediale Infrastruktur bereitstellte. Die Teilnehmer*innen dieser Aktion kamen nicht als körperliche Versammlung in einer sozialen Choreografie zur Erscheinung, sondern nur als einzelne Twitter-Nutzer*innen in einer zusammenhängenden, wenngleich disparaten Abfolge von Tweets.

Neue Publikumsfigurationen

Damit bin ich bei den grundsätzlich anderen Publikumsfigurationen angelangt, die digitale Aufführungsformate, die als Stream, als Online-Aufführung oder als wie auch immer geartete hybride Form von einem verstreuten, einem disseminierten Publikum zu Hause rezipiert werden, von Präsenzpublika unterscheidet. Es erscheint mir wichtig, zunächst diese Unterscheidung präzise herauszuarbeiten, bevor eine Bewertung versucht wird, denn wir bewegen uns hier im ideologisch aufgeladenen Feld der politischen Dimension von Theater, die – so würde ich kritisch anführen – in den letzten Jahren und Jahrzehnten desto stärker diskursiv betont, ja emphatisch beschworen wurde, je mehr die gesellschaftliche wie auch politische Funktion von Theater auf dem Prüfstand war.15

Der iranische Medienwissenschaftler und interdisziplinär arbeitende Künstler Nima Dehghani hat in einem Gespräch mit mir über die Folgen der Corona-Pandemie für die performativen Künste vorgeschlagen, Online-Aufführungen als Spielart der site-specific performance ernst zu nehmen und das Internet und die digitalen Medien als spezifischen Ort, der technische, mediale und infrastrukturelle Voraussetzungen mit sich führt, aufzufassen.16 So sind in den sozialen Medien Interaktion und Gleichzeitigkeit beziehungsweise Multitasking nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Zugleich haben Formen des interaktiven, partizipativen und immersiven Theaters in den letzten Jahren und Jahrzehnten verstärkt Fragen von Teilhabe adressiert und andere Weisen des Zuschauens und Wahrnehmens von Aufführungen in Szene gesetzt, in denen nicht mehr schweigend, weitgehend immobilisiert im Theatersessel sitzend, die Aufmerksamkeit idealerweise ganz auf die Bühnenszene konzentriert wird.17 Ich möchte vor diesem Hintergrund argumentieren, dass in den theatralen Online-Formaten, wie sie insbesondere während der Pandemie erprobt und entwickelt wurden, konfligierende Publikumsaktivitäten und Publikumserwartungen hybridisiert wurden, nämlich solche, die sich eher der – im weitesten Sinn verstandenen – Theateretikette der analogen, dabei natürlich vielfach multimedial verfassten Aufführung verdanken, und solche, die den Nutzungsweisen und der Netiquette der sozialen Medien entstammen.

Damit ist die wichtige und meines Erachtens dringend zu führende Diskussion um die Zugänglichkeit und Barrierefreiheit von Theater impliziert. Digitale Formate haben unter Beweis gestellt, dass sie vorhandene Exklusionsmechanismen aufzubrechen vermögen. Vielen Theatern gelang es während der Pandemie, ein überregionales, nicht selten internationales Publikum zu attrahieren, und auch die Anzahl der Teilnehmer*innen, die digitale Streams, Zoom-Aufführungen und Ähnliches verfolgt haben, war häufig deutlich höher als die Platzkapazität in den Theaterhäusern. Nicht zuletzt konnte die gemeinhin mit Theaterkultur verbundene Fokussierung auf urbane Zentren durch digitale Angebote abgeschwächt und verstärkt Publikum auch in ländlichen Gegenden erreicht werden.

Auch die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung, chronischen Krankheiten oder Sozialangst ist ein weiteres Argument, das für Online-Formate spricht, sowie dafür, nach der Pandemie über die Gleichzeitigkeit von analoger Aufführung und digitalem Angebot nachzudenken und dies nicht als Entweder-oder-Optionen aufzufassen. Schließlich konnten ökonomische Barrieren oder solche, die mit sozialer Klasse und Status oder dem Bildungshintergrund verbunden sind, durch Online-Formate reduziert werden. Nicht zuletzt bieten digitale Formate die Chance, insbesondere ein jüngeres Publikum für das eigene Programm und die eigenen künstlerischen Aktivitäten zu interessieren.

Diese Betonung positiver Aspekte von Online-Aufführungen mit Blick auf Teilhabemöglichkeiten sollte aber nicht dazu verleiten, pauschal einer generell besseren Zugänglichkeit oder gar einer dadurch angestoßenen Demokratisierung der Kunstform Theater das Wort zu reden. Denn mit digitalen Angeboten entstehen immer auch neue Barrieren, die von technischen Voraussetzungen und Kenntnissen (wie der Verfügbarkeit von Endgeräten und Apps, der Erfahrung im Umgang mit ihnen, aber auch der Stabilität, Schnelligkeit und Bandbreite der Internetverbindung) bis hin zu durchaus nicht unproblematischen Vorgaben bestimmter Rezeptions- und Interaktionsweisen reichen – so schränken Apps die Interaktionsmöglichkeiten des Publikums ihrerseits stark ein und die in manchen Zoom-Aufführungen geäußerte Bitte, die eigene Kamera und den eigenen Ton – je nach Aufführung – an- beziehungsweise auszuschalten, ist ebenfalls ein starker Eingriff in den Handlungsspielraum der Zuschauer*innen. Um diese Dimensionen genauer erforschen und kritisch reflektieren zu können, muss die Theaterwissenschaft die inzwischen zaghaft begonnene Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen und der Wirkmacht von Algorithmen intensivieren.18

Mediale Veränderungen sozial-affektiver Relationalität

Doch was für Publika werden in Online-Aufführungen wie konstituiert? Auch hier muss vor Pauschalisierungen gewarnt werden, denn so unterschiedlich die digitalen Angebote, so unterschiedlich sind auch die damit verbundenen Publikumsfigurationen. So gibt es in diesem weiten Spektrum Aufführungen, in denen Zuschauer*innen ausschließlich als Einzelne adressiert werden, die wie im heimischen Wohnzimmer vorm Fernseher immer in der ersten Reihe sitzen, und die keine Möglichkeit haben, während des Geschehens in irgendeiner Weise zu erfahren, wer gerade noch mit ihnen diese Aufführung verfolgt, geschweige denn, mit anderen Zuschauer*innen in einen wie auch immer gearteten Kontakt zu treten. Die Gemeinschaftlichkeit von Theaterrezeption ist hier weitgehend aufgehoben, denn auch wenn es ein zahlenmäßig großes Publikum geben mag, tritt dieses nicht als solches in Erscheinung. Damit ist auch die politisch-soziale Dimension dieser Theaterformen äußerst reduziert und verstärkt wohl eher aktuelle gesellschaftliche Tendenzen der Individualisierung und auch Responsibilisierung19 Einzelner.

Mit einem konkret situierten, körperlichen In-Erscheinung-Treten eines Präsenzpublikums ist demgegenüber die politische Dimension von analogem Theater wesentlich verknüpft. Judith Butler hat in ihrer Theorie der Versammlung diese Formen verkörperter und pluraler Performativität als wichtige Bestandteile politischen Agierens herausgestellt:

Verkörperte Handlungen unterschiedlicher Art tun etwas auf eine Weise kund, die genau genommen weder diskursiv noch vor-diskursiv ist. Mit anderen Worten, Versammlungen haben schon vor und unabhängig von den spezifischen Forderungen, die sie stellen, eine Bedeutung.20

Die Versammlung während einer Theateraufführung oder bei einer Performance stellt mithin eine provisorische und plurale Form der Koexistenz dar, die die Idiosynkrasien, Vorlieben, Sichtweisen oder auch Positionen der Einzelnen immer wieder in einen Horizont sozial-affektiver Relationalität einbindet, die körperlich in Erscheinung tritt.

Doch gab und gibt es auch zahlreiche Online-Aufführungen, in denen das Publikum als Publikum selbst zur Erscheinung kommen kann, das reicht von der schnöden Einblendung der Zahl von Accounts, die gerade einen Stream verfolgen, bis hin zur Einbindung als aktive Mitspieler*innen, indem Chats, Kommentarfunktionen, Emojis und Ähnliches genutzt werden können, sodass für die Zuschauer*innen sogar die Option besteht, ein vom Aufführungsgeschehen weitgehend abgelöstes Beziehungsgeschehen mit anderen Zuschauer*innen zu gestalten. Die Mittel hierfür sind jedoch diskursiv und symbolisch, es handelt sich um die in den sozialen Medien vorherrschende Form schriftlicher Mündlichkeit, in der einzelne Tropen wie Emoticons durchaus mit der Soziologin Elke Wagner als physische Gesten in digitaler Interaktion aufgefasst werden können.21 Und auch der Ort dieser diskursiv und symbolisch vermittelten Publikumsaktivitäten und Publikumsemotionen unterscheidet sich in entscheidender Weise von den Orten der Versammlung von Präsenzpublika: Nicht ein öffentlicher oder semi-öffentlicher Ort, sondern das häusliche Wohn-, Arbeitsoder auch Schlafzimmer stellt das situative Umfeld der vereinzelten Rezeption in distanzierter, mediatisierter Gemeinschaft dar. Wir verlassen also nicht mehr die eigenen vier Wände, begeben uns nicht mehr in die Öffentlichkeit, sind für niemanden als Theaterpublikum – weder während noch vor oder nach der Aufführung – sicht- und erkennbar. Die zahlreichen kontingenten, unplanbaren und auch unkontrollierbaren Begegnungen und Erlebnisse auf dem Weg zum und vom Theater ebenso wie die zufälligen Treffen im Theaterfoyer, das Aufschnappen der Kommentare anderer, fremder Theaterzuschauer*innen beim Verlassen des Theaters sowie natürlich der unmittelbare Austausch und die Diskussionen über das Gesehene mit anderen Publikumsmitgliedern entfallen entsprechend und schränken die soziale wie politische Textur, das dichte Gewebe an Reibungen, Beziehungen und Auseinandersetzungen ein, das in seiner Komplexität und Vielgestaltigkeit das Theatererlebnis als soziale Konvention ausmacht.22 Damit stellt sich die Frage, wie das Dispositiv des Theaters23 im Analogen wie im Digitalen beschrieben werden kann, und inwiefern die Theaterwissenschaft ihre Blicke, Perspektiven und Zugänge noch viel stärker weiten und ausweiten muss, jenseits von Proben- und Produktions-, Distributions- und Rezeptionsstudien. Zu klären, welch einschneidende Folgen diese Veränderungen für Theaterpublika ebenso wie für die politische Dimensionen von Theater haben werden, wird Gegenstand weiterer umfassender theaterwissenschaftlicher Reflexionen und Untersuchungen sein müssen.

1 Die Soziologin und Medienwissenschaftlerin Sherry Turkle hat 2011 in ihrer Publikation Alone Together die Begrifflichkeiten alone und together verwendet, um neue Formen der Intimität ebenso wie der Einsamkeit von Menschen in Interaktion insbesondere mit robotischen Maschinen und menschen- oder tierähnliches Verhalten simulierenden Computern zu untersuchen (Turkle, Sherry: Alone Together. Why We Expect More from Technology and Less from Each Other, New York 2011). Ihr psychoanalytischer Blick betont dabei vor allem die Unzulänglichkeiten und Defizite, die sich negativ insbesondere auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Heranwachsenden auswirken könnten, sollte zwischenmenschliche Interaktion zunehmend durch Mensch-Maschinen-Interaktion ersetzt werden. Ich teile Turkles psychoanalytischen Ansatz nicht; zudem erscheint ihr – durch und durch lesenswertes, hochdifferenziertes und zugleich anschauliches – Buch schon ein Jahrzehnt nach seinem Erscheinen sowohl durch die rasante technische Entwicklung, insbesondere die Integration sozialer Medien in die Lebenswelt, als auch durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie überholt. Daniel Schreiber vermerkt dazu in seinem Essay Allein treffend: »solche Analysen altern so schnell, wie es die Technologien, die sie analysieren, tun. Die in ihnen vorgebrachten Argumente ähneln irgendwann jenen historischen Argumenten über mediale Gefahren, die bei der Popularisierung des Romanlesens, der Einführung von Telefon und Radio oder der Erfindung des Fernsehens gemacht wurden. Jede neue Kommunikationstechnologie zog bisher die Warnung nach sich, dass sie das, was uns als Menschen ausmacht, zerstören würde. In ihrer Zeit haben all diese Überlegungen eine gewisse Berechtigung, doch mit historischem Abstand wird deutlich, dass sie nicht unsere Beziehungen zu diesen Technologien beschreiben, sondern nur den Moment festhalten, in dem wir diese in unseren Alltag integrieren und zuerst eine Grundkompetenz im Umgang mit ihnen aufbauen müssen.« (Schreiber, Daniel: Allein, Berlin 2021, S. 121.) Schreibers Essay fasst Alleinsein insbesondere als Abwesenheit romantischer Liebesbeziehungen auf und lotet Erfahrungen von Einsamkeit sowie den Wert von Freundschaft für Menschen aus, die alleine leben. Weder Turkles noch Schreibers Bestimmung von Alleinsein oder Gemeinschaft beziehungsweise einer networked connectivity (vgl. Turkle: Alone Together, S. 14) können entsprechend für die nachfolgenden Überlegungen übernommen werden.

2 Vgl. dazu Warner, Michael: Publics and Counterpublics, New York 2002, S. 50.

3 Schon 2010 kuratierte das Battersea Arts Centre in London ein Festival mit Aufführungen und Performances, die sich nur an eine einzelne Zuschauer*in richteten. Zu one-on-ones vgl. auch Groot Nibbelink, Lisbeth: »Radical Intimacy: Ontroerend Goed Meets the Emancipated Spectator«, in: Contemporary Theatre Review 22 (2012), H. 3, S. 412 – 420 sowie Zaiontz, Keren: »Narcissistic Spectatorship in Immersive and One-on-One Performance«, in: Theatre Journal 66 (2014), H. 3, S. 405 – 425.

4 Vgl. dazu auch Kolesch, Doris/Knoblauch, Hubert: »Audience Emotions«, in: Slaby, Jan/von Scheve, Christian (Hg.): Affective Societies. Key Concepts, London/New York 2019, S. 252 – 263.

5 Freshwater, Helen: Theatre & Audience, Basingstoke u. a. 2009, S. 9 – 10.

6 Puschke, Cornelius: »›The Show Must Go On‹. Ein Plädoyer für 1000 neue Theater«, in: Netztheater. Positionen, Praxis, Produktionen, hrsg. v. Heinrich-Böll-Stiftung und nachtkritik.de in Zusammenarbeit mit weltuebergang.net, Berlin 2020, S. 35.

7 Abercrombie, Nicholas/Longhurst, John: Audiences. A Sociological Theory of Performance and Imagination, London 1998, S. 68 – 69, Hervorhebung im Original.

8 Ebd.

9 Vgl. dazu Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten, der meines Wissens als Erster über »allgegenwärtige […] Konstellationen des Castings« als »Form einer Probeperformanz unter den Bedingungen einer extremen Wettbewerbskonstellation« (S. 210) reflektiert hat. Einschlägig zum Thema auch: Evers, Florian: Theater der Selektion. Personalauswahl im Unternehmen als ernstes Spiel, Berlin 2018.

10 Kümmel, Peter: »Steckt dahinter ein Sinn?«, in: DIE ZEIT 47 (11.11. 2020), https://www.zeit.de/2020/47/corona-shutdown-theater-kunst-pandemie-kulturinstitutionen (Abruf: 10. März 2022).

11 Vgl. die Website des Théâtre de la Colline Paris: https://www.colline.fr/publics/le-fil-dariane (Abruf: 10. März 2022).

12 Die in Fußnote 6 schon erwähnte Publikation Netztheater machte frühzeitig auf das Spektrum theatraler Erprobungen und Entwicklungen aufmerksam. Auch nachtkritik.de zeichnete sich dadurch aus, die Vielfalt ebenso wie das ästhetische Potential (zumeist) digitaler Aufführungen während der verschiedenen Lockdowns vorurteilsfrei darzustellen und kritisch zu reflektieren.

13 Die Produktion um die Wiener Regisseurin Cosmea Spelleken wurde am 5. November 2020 zum ersten Mal live gestreamt und lief seitdem im Rahmen zahlreicher Festivals sowie Theater und wurde mit dem Deutschen Multimediapreis 2020 ausgezeichnet. Das Kollektiv hat sich inzwischen in punktlive umbenannt. Vgl. https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=18868:nachtkritikstream-netztheaterstueck-werther-live-von-freies-digitales-theater&catid=1517:nachtkritikstream&Itemid=100416 (Abruf: 10. März 2022) und https://punktlive.de/ (Abruf: 10. März 2022). Zu Werther Live siehe auch den Beitrag von Mirjam Kreuser in diesem Band.

14 Twitterankündigung des Burgtheaters Wien, zit. nach Netztheater, S. 10.

15 Vgl. dazu auch Balme, Christopher B.: The Theatrical Public Sphere, Cambridge 2014.

16 Das Gespräch mit den iranischen Theaterschaffenden wie -wissenschaftler*innen Nima Dehghani, Azadeh Ganjeh und Narges Hashempour fand online am 17. Mai 2021 in der Gesprächsreihe »Temporal Communities and Digitality – Theatre during the Pandemic« statt, die ich mit Unterstützung des Exzellenzclusters »Temporal Communities – Doing Literature in a Global Perspective« im Rahmen des von mir geleiteten Forschungsprojekts »Extended Audiences« zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 mit Theaterkünstler*innen und Wissenschaftler*innen aus Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Deutschland, Iran, Israel, Japan, Polen, Südafrika sowie den Vereinigten Staaten von Amerika geführt habe. Vgl. https://www.temporal-communities.de/news/event-seriestheatre-during-the-pandemic.html (Abruf: 10. März 2022).

17 Vgl. dazu Bishop, Claire: Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship, London/New York 2012 und Kolesch, Doris/Schütz, Theresa/Nikoleit, Sophie (Hg.): Staging Spectatorship in Immersive Performances. Commit Yourself!, London/New York 2019.

18 Vgl. dazu Dorsen, Annie: »On Algorithmic Theater«, in: Theater. Yale’s Journal of Criticism, Plays, & Reportage (2012), https://theatermagazine.org/web-features/article/algorithmic-theater (Abruf: 10. März 2022) und Otto, Ulf (Hg.): Algorithmen des Theaters. Ein Arbeitsbuch, Berlin 2020.

19 Unter Responsibilisierung verstehe ich die Zuweisung von Eigenverantwortung an Einzelne selbst für strukturell bedingte und individuell nur kaum zu beeinflussende Umstände beziehungsweise Situationen. Diese Zuweisung von Verantwortung an das einzelne Individuum stellt ein Signum insbesondere neoliberaler und spätkapitalistischer Ordnungen dar.

20 Butler, Judith: Anmerkungen zu einer performativen Theorie der Versammlung, aus dem Engl. von Frank Born, Berlin 2016, S. 15. Butlers These von der politischen Dimension öffentlicher Versammlungen unabhängig von konkreten inhaltlichen Forderungen darf meines Erachtens nicht vorschnell mit einer grundlegenden Politizität von Theaterpublika gleichgesetzt werden. Es ist ein Unterschied, ob eine Demonstration das Recht auf Versammlungs- und Redefreiheit aktualisiert oder ob ein Theaterpublikum sich versammelt. Letzteres kann (abhängig von konkreten historischen beziehungsweise gesellschaftlichen Situationen), muss aber nicht im engeren Sinn politisch sein. Eine grundlegend ethisch-politische Dimension von Theaterpublika sehe ich in der temporär geteilten, pluralen Form von Koexistenz, die Gemeinschaft als Spannungsfeld individueller und kollektiver Dimensionen und auch Ansprüche vorführt.

21 Vgl. dazu Wagner, Elke: Intimisierte Öffentlichkeiten: Pöbeleien, Shitstorms und Emotionen auf Facebook, Bielefeld 2019.

22 Es war Hans-Thies Lehmann, der nicht müde wurde, auf den etymologischen Ursprung von Konvention (von lateinisch convenire: zusammenkommen) hinzuweisen.

23 Vgl. Aggermann, Lorenz/Döcker, Georg/Siegmund, Gerald (Hg.): Theater als Dispositiv. Dysfunktion, Fiktion und Wissen in der Ordnung der Aufführung, Frankfurt a. M. 2017.

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"Theater der Vereinnahmung"
Recherchen 156 "Ästhetiken der Intervention"
"Pledge and Play"