Protagonisten
Handwerk und Kritik
Barbara Ehnes und Kattrin Michel über den Studiengang Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden im Gespräch mit Nicole Gronemeyer
von Kattrin Michel, Nicole Gronemeyer und Barbara Ehnes
Erschienen in: Theater der Zeit: Schauspiel Leipzig – Martin Linzer Theaterpreis 2017 (06/2017)
Assoziationen: Akteure
Barbara Ehnes, Kattrin Michel, im Studiengang Bühnen- und Kostümbild an der HfBK Dresden vertreten Sie zwei von insgesamt drei Professuren. Wie sieht der Unterricht bei Ihnen aus?
Kattrin Michel: Bühnen- und Kostümbild in Dresden ist ein Diplomstudiengang, in dem in aufeinander aufbauenden Modulen unterrichtet wird. In den ersten beiden Jahren lernen die Studierenden fachspezifische Grundlagen, meistens in Gruppenarbeiten. Es ist zunächst eine Art klassische Theaterausbildung, bei der Stücke erarbeitet werden und es also um Textarbeit und Dramaturgie, Zeichnen, technische Grundlagen und so weiter geht, damit die Studierenden die einzelnen Phasen einer Entwurfsarbeit einmal durchlaufen haben. Danach treten sie in das Hauptstudium ein, das heißt, sie sind in ihrem Studium dann wesentlich freier. Wir bieten semesterweise Themen an, und die Studierenden können sich sowohl bei Barbara Ehnes als auch bei mir für Projekte eintragen. Im letzten Jahr des Studiums gibt es zwei Diplomthemen, die sich die Studierenden wählen, ein Thema wird von Barbara und eines von mir mentoriert.
Barbara Ehnes: Und man kann für zwei Jahre Meisterschülerin bei uns werden, auch wenn man nicht in Dresden studiert hat. Für viele, die sich nach dem Studium entscheiden, nicht in Assistenzen zu gehen, sondern in Dresden eine freie Gruppe zu gründen, ist das eine gute Möglichkeit, weiter mit uns in Verbindung zu bleiben. Anna Maria Münzer und Nora Schruth sind zum Beispiel so gestartet, sie entwickeln freie Projekte und lassen sich dabei von uns beraten und nutzen unsere Infrastruktur, denn die Schule verfügt ja auch über ein eigenes Theater, das Labortheater.
Wie viele Studierende gibt es bei Ihnen?
Michel: Wir nehmen pro Jahr etwa zehn bis zwölf Studierende auf. Das hängt auch von der Kapazität der Atelierplätze ab. Bei uns hat jeder einen eigenen Atelierplatz, sodass sich vieles in den Ateliers abspielt und die Studierenden sich auch für gemeinsame Projekte zusammenfinden.
Wie sieht die Zusammenarbeit innerhalb der Hochschule aus, etwa mit dem Studiengang Theaterausstattung?
Ehnes: Theaterausstattung ist ein Fachhochschulstudiengang mit
vier Fachrichtungen: Theaterplastik, Theatermalerei, Maskenbild und Kostümgestaltung. Hier geht es stärker um die Vermittlung von handwerklichen Kenntnissen als um die Entwurfsarbeit. Wir organisieren gemeinsame Workshops und Veranstaltungen. Regelmäßig realisieren wir auch gemeinsame Kooperationen mit dem Dresdner Staatsschauspiel und der Hochschule für Musik. Es gibt jedes Jahr eine Operninszenierung im Kleinen Haus in der Regie von Barbara Beyer, die die Opernklasse leitet. Die Umsetzung der Entwürfe unserer Studierenden findet in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Kostümgestaltung statt.
Es gab im letzten Jahr auch ein gemeinsames Projekt mit Stefanie Wenner zu einem Text von Gertrude Stein, „Objects lie on a table. A play“. Stefanie Wenner ist Professorin für Angewandte Theaterwissenschaft und Produktionsdramaturgie für alle Studierenden an der HfBK, also nicht allein für unseren Studiengang. Parallel zur gemeinsamen theoretischen Arbeit aller Projektteilnehmer haben Studierende aus unserem Hauptstudium den Entwurf und Studierende der Theaterausstattung die Realisation übernommen. In dieser Zusammenarbeit bildete sich der ganze Prozess ab, der an einem Theater abläuft, also die Übergabe, Vorstellung und Diskussion des Entwurfs, die Umsetzung, die dann in einem gemeinsamen Diskurs stattgefunden hat, sowie die Begleitung der Proben bis hin zur Aufführung.
Und wer war in der Aufführung zu sehen?
Ehnes: Das 60+-Community-Tanz-Ensemble Art Rose unter der Leitung von Jenny Coogan. Anton Kuznetsov – ein Student von Manos Tsangaris an der Hochschule für Musik, mit der wir viel kooperieren – hat die Musik dafür komponiert. Auch mit dem Choreografie-Masterstudiengang der Palucca Hochschule für Tanz arbeiten wir zukünftig zusammen.
Michel: Ihre Frage, wen sieht man dann in der Aufführung, ist wirklich ein Thema in Dresden, da wir ja nicht wie in München oder Stuttgart im Verbund mit Regisseuren oder Schauspielern arbeiten. Punktuell treffen wir natürlich Regieklassen, wir arbeiten etwa mit der Bayerischen Theaterakademie zusammen, aber wir haben auch festgestellt, dass unsere Studierenden sich zunehmend selbst organisieren und sogar selbst performen oder Formen ausprobieren, die auch ohne Schauspieler ein Theaterformat ermöglichen. Hier sind sehr vielfältige, unterschiedliche Arbeiten entstanden, die wir auch unbedingt fortsetzen wollen.
Was unterscheidet Dresden von anderen Hochschulen?
Michel: Wir machen wenig Vorgaben. Wir denken, dass unsere Studierenden die Möglichkeit haben müssen, sich aus dem, was wir anbieten, ihren eigenen Weg zu bauen. Wir versuchen, die Entwicklung, die innerhalb dieser fünf Jahre stattfindet, zu unterstützen, ohne dabei die Erwartung aufzubauen, dass hier in eine bestimmte Richtung von Theater gearbeitet wird. Vielmehr sollen neue Denkweisen, neue Arbeitsweisen entstehen, die die Veränderung der Theaterlandschaft abbilden und daran mitwirken. Ich bin dafür, dass die Strukturen beweglich bleiben, weil wir ja sehen, dass sich Theater verändert, das heißt, wir müssen die Studierenden auch mit der Realität konfrontieren. Je früher das klar ist, umso besser.
Ehnes: Wir möchten natürlich, dass unsere Studierenden in aller Freiheit Projekte künstlerisch entwickeln können. Auch an den Theatern ist das im Moment ein großes Thema. Es kommen Teams, die ihre Arbeit im Probenprozess entwickeln möchten, aber die Werkstätten verlangen verständlicherweise auch bestimmte Abläufe. Hier trifft eine – auch einzigartige –Theatertradition auf eine Weiterentwicklung oder Variation der Theaterpraxis. Diese Öffnung müssen wir unseren Studierenden auch vermitteln, damit sie an den Theatern neue Formen erfinden und durchsetzen können, das aber auf der Grundlage der genauen Kenntnis der Abläufe.
Der Künstler muss also dafür sorgen, dass die Prozesse flexibel bleiben und er nicht zum Dienstleister der einzelnen Gewerke wird?
Michel: Absolut. Wir sind überhaupt nicht für die Abschaffung von Werkstätten, aber man muss das Verhältnis zwischen Künstlern und Gewerken immer wieder auf die Ausgewogenheit hin überprüfen, was direkt mit der Rolle zusammenhängt, die man einem Theater als öffentlichem Raum zuschreibt. Wo liegen die Prioritäten? Diese müssen im Sinne einer Institutionskritik auch nachvollziehbar sein. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Leute über viele Jahre an Häusern fest angestellt sind und dort einen gewissen Heimvorteil haben, sodass man den Gewohnheiten des Hauses sehr stark entgegentreten muss, wenn man sagt, ich will das jetzt anders haben.
Ist es denn in der Regel das Ziel Ihrer Absolventen, am Stadttheater zu arbeiten?
Ehnes: Fest an ein Theater gehen Bühnenund Kostümbilderinnen und -bildner nur noch selten, gegebenenfalls als Ausstattungsleiter. Aktuell ist zum Beispiel Ansgar Prüwer, einer unserer Absolventen, im Schauspielhaus Düsseldorf in dieser Position tätig. In der Regel geht man ja mit Regieteams von einem Theater zum anderen. Nach dem Diplom stellt sich für viele zunächst die Frage, ob sie als Ausstattungsassistent noch ein, zwei Jahre fest an ein Haus gehen, bevor sie als freie Bühnen- und Kostümbildner arbeiten. Als andere Möglichkeit sehen wir immer häufiger, dass sich bereits im Studium Gruppen gründen, die sich um Fördergelder bemühen und im kleinen Format eigene Projekte realisieren. Viele Studierende vernetzen sich im Studium mit Regiestudierenden und bauen das dann weiter aus, machen bereits Ausstattungen etwa in München am Residenztheater oder in umliegenden kleineren Stadttheatern. Diese Zusammenarbeit mit den Teams aus den Studienprojekten setzt sich häufig nach dem Studium fort. Manche haben jetzt schon das Problem, dass sie eigentlich viel zu viele Angebote haben und sich zwischen drei Städten zerfleddern.
Michel: Aber auch das muss man ja lernen, dass man manchmal parallel an verschiedenen Sachen arbeiten muss, dann jedoch auch mal eine Strecke kommt, wo gar nichts ist.
Ehnes: In dem Fall kann ich sie auch ganz gut aus meiner eigenen Theaterpraxis heraus mentorieren. Wie mache ich meinen Zeitplan? //