Allmählich kommen wir dort an, wo der Neoliberalismus uns am liebsten sieht: irgendwo zwischen George Orwells „1984“ – Big Data macht’s möglich – und Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“. Nachdem Burkhard C. Kosminski in seiner „Tannhäuser“-Inszenierung an der Düsseldorfer Oper der Spur nachging, die von Wagners Antisemitismus in die Gaskammern der Nazis führt, setzte Intendant Christoph Meyer die Inszenierung kurzerhand ab. Mit paternalistischem Gestus beruft er sich auf die Gesundheit der Zuschauer, die es zu schützen gelte. Im nächsten Schritt könnten dann Berichte über Massaker in der Dritten Welt oder die Holocaust-Thematik aus Schulbüchern entfernt werden, da manchen Schüler angesichts der geschilderten Gräuel ein Unwohlsein befallen mag. Die Kunst dient der Unterhaltung und ist keineswegs der Wahrheit verpflichtet, so die Botschaft in leider allzu bekannter deutscher Tradition. Die Erhellung komplexer Verbindungen zwischen dem deutschen Sonderweg in der Geschichte und der deutschen Ästhetik, wie sie der französische Philosoph Philippe Lacoue-Labarthe nicht zufällig am Fall Wagner aufzeigt, soll offenbar nicht performative Gestalt annehmen. Zerschlagen wird das Denken von Zusammenhängen, die Brecht auf die einfache Formel von der Bayreuther Republik, als Synonym für das Dritte Reich, brachte.
Das mutige Gegenstück liefert ausgerechnet die alte Rivalin Köln, wo die Impulse Theater Biennale gemeinsam mit...