Nachruf
Theaterkönig der Autoren
Nachruf auf den Regisseur und Theaterleiter Claus Peymann
von Thomas Irmer
Assoziationen: Akteur:innen Claus Peymann Schauspiel Stuttgart Berliner Ensemble Burgtheater Wien

Mit dem am 16. Juli 2025 gemeldeten Tod von Claus Peymann geht eine der prägenden Persönlichkeiten des deutschen Theaters von der Bühne. Peymann war als regieführender Intendant der Verbündete von vor allem österreichischen Dramatikern: Thomas Bernhard, Peter Handke, Elfriede Jelinek, Peter Turrini. Er hielt eine begnadete Schauspieltruppe über Jahrzehnte zusammen, zu der Gert Voss, Ilse Ritter, Kirsten Dene und Traugott Buhre gehörten. Und er entdeckte und entwickelte junge Talente wie Anna Schudt oder Sabin Tambrea und viele andere mehr, wofür er – eine seiner originellen kulturpolitischen Forderungen – eine Ausbildungsabgabe vom Fernsehen und der Filmindustrie an die Theater verlangte. Er konnte laut poltern und maß sich und seinem Theater, das von ihm 1999 bis 2017 geleitete Berliner Ensemble, die Bedeutung eines „Reißzahns im Arsch der Mächtigen“ zu.
Peymann gehörte als Regisseur – wie Peter Stein und Peter Zadek – zu den Entrümplern des westdeutschen Theaters, das bis Ende der sechziger Jahre von einem kleinlauten Konservatismus der Nachkriegszeit geprägt war. Mit der Erschließung neuer Dramaturgien für Klassiker – ganz wichtig dabei sein Partner Hermann Beil – und den Uraufführungen von Autoren der eigenen Generation, vor allem Bernhard und Handke, gelang über mehrere Stationen in Stuttgart, Bochum, dem Wiener Burgtheater und schließlich dem Berliner Ensemble über vier Jahrzehnte eine Glanzzeit des Peymann-Theaters. Deutschlands intellektuellster Entertainer Harald Schmidt war ihm seit der Schulzeit lebensprägend verfallen und bestritt ganze Sendungen seiner Latenight-Shows mit Peymanns Theater und dessen Personal (etwa Gert Voss mit seiner Geschichte als Papagei-Synchronsprecher in der Uraufführung von Thomas Bernhards „Immanuel Kant“).
Gestartet war der 1937 in Bremen geborene Peymann mit der Uraufführung von Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“, 1966 in Frankfurt am Main für sich allein schon ein Meilenstein der Theatergeschichte. Mit Handke blieb er lebenslang verbunden, inszenierte Uraufführungen von mehr als der Hälfte seines dramatischen Werks. Als Handke ihn einmal in Norwegen bei der Verleihung des Internationalen Ibsen-Preises lächerlich machte („Why are you still with this Peymann? – Never change a losing team!“), entschied sich der vor seinen Autoren meist knieende Regisseur für bescheidene Selbstironie anstatt Zurückrempelns.
Als Intendant, vor allem in der Bochumer Zeit (1979-1986), war Peymann äußerst großzügig und ließ auch Ästhetiken zu, von denen er selbst sagte, dass er sie nicht einmal verstehen würde. Das Regie-Duo Manfred Karge / Matthias Langhoff zog soviel DDR-Emigration ins Ruhrgebiet, dass der dort mehrfach uraufgeführte Heiner Müller anerkennend meinte, in Bochum gebe es viel mehr DDR-Theater als in Leipzig.
Die wohl beste Zeit als Intendant hatte Peymann als Intendant des Wiener Burgtheaters 1986 bis 1999. Auch hier ging es noch einmal um Entrümpelung, des veralteten Theaterbetriebs wie der verschleppten Nazi-Aufarbeitung. Die Uraufführung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ beschäftigte 1989 und darüber hinaus die ganze Alpenrepublik. Peymann war zur absoluten Größe eines Theatergotts gewachsen, dessen Schöpfungen wegen ihres gesellschaftlichen Gewichts auch von der Boulevardpresse genauestens begutachtet wurden.
Diese Rolle eines Allmächtigen wollte ihm in der neuen, alten Hauptstadt Berlin in der Nachfolge Bertolt Brechts an dessen Theater dann aber nicht recht gelingen. Er holte am Berliner Ensemble die besten Regisseure seiner Generation zusammen – Peter Zadek, Peter Stein, Robert Wilson, Thomas Langhoff – und inszenierte Shakespeare in Thomas Braschs Neuübersetzungen, aber die Kritik sprach von einem gut geführten Theatermuseum der Stile, die in den 1970er- und 80er-Jahren als revolutionär galten. Peymann verwies dagegen auf Auslastungszahlen im oberen 90-Prozent-Bereich als unbestreitbaren Triumph neben seinen Verdiensten als Bernhard-Regisseur und Schauspiel-Patriarch der 68er-Generation.
Erschienen am 17.7.2025