Die 1960er und 1970er Jahre
Peter Brook: Gegen Lügen
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Brooks Aufsätze zur Inszenierung THE CONNECTION des New Yorker Living Theatre und einer Aufführung von Becketts GLÜCKLICHE TAGE deuteten nicht nur an, warum und wie er künftig anders arbeiten sollte, sie umrissen auch Gründe, Ziele und Formen für eine Neuausrichtung des Theaters als einer bedeutsamen Tätigkeit unter den gegenwärtigen soziokulturellen Zuständen. THE CONNECTION hatte 1959 Lebensumstände und Verhaltensweisen von Jazzmusikern und Drogensüchtigen äußerst brutal, „realistisch“ gezeigt, mit Improvisationen, in denen Darsteller in der Rolle von Junkies ins Publikum gingen, Zuschauer anbettelten. Wir befänden uns in tiefer Krise, so Brook damals, wüssten nur um diese Krise des Theaters, nicht woher die Krise komme. Es gehe gegen „das Lügen“, Lügen, die „wir in der Schule gelernt haben“, und auch das, was ältere Schauspieler den Jungen erzählten. Die alte Rhetorik des Theaters erscheine als „Lüge“, was als Charakter durchgehe, als bloße Ansammlung von Masken und Klischees. Der Film und vor allem das Fernsehen hätten diesen Prozess beschleunigt. Was Brecht über Theater und Illusion sagte, über den Trancezustand, die gefühlsduselige Hingabe des Publikums, treffe eher auf das Kino zu. THE CONNECTION sei ein Durchbruch gegen Lügen, ein Akt der Verweigerung – keine Vorderbühne, „kein Bühnenbild“, die...