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Musik: Die Stille nach dem Aufruhr
von Ulrike Rechel
Erschienen in: Theater der Zeit: Jürgen Holtz – Schauspieler und Scharfdenker (04/2015)
Jedes Frühjahr wird das Donaustädtchen Krems zur Anlaufstelle experimenteller Musiker, Filmkünstler und Theaterschaffender. Internationale Grenzgänger geben sich auf dem Donaufestival die Klinke in die Hand, wenn zwei Wochenenden lang vom Kirchenraum bis zur örtlichen Stadthalle alles unter dem Zeichen neuer, intermedialer Klang- und Bildwelten steht. Nach Vorjahresthemen wie „Krise“ und „Zusammenbruch“ klingt das diesjährige Festivalmotto – „Rebuilding The World“ – fast schon optimistisch. Die Musikschiene steht folglich unter dem Zeichen, alte Strukturen aufzubrechen und in den Zwischenbereichen nach neuen Grundlagen zu forschen. Dafür reisen einige Veteranen musikalischen Eigensinns nach Niederösterreich: Neben den britischen Abstract-Techno-Pionieren Autechre zählen Kanadas Postrocker Godspeed You! Black Emperor zu den Zugpferden des Programms. Das Instrumentalrock-Kollektiv aus Montreal hat mit seinem Spiel um extreme Dynamikpole, ausgedehnte Klangströme um E-Gitarren, Streicher und Agitprop-Textschnipsel viele Filmemacher und Theaterleute inspiriert. In Krems stellt die Großtruppe ihr sechstes Album „Asunder, Sweet and Other Distress“ vor, das das Weltgefühl des „Entzweiseins“ schon im Namen trägt.
Wo in den langen Stücken der Kanadier unterschwellige Beunruhigung brodelt, die sich in heftigen Noise-Phasen entlädt, repräsentiert der Berliner Nils Frahm das leise Ende des Spektrums. In seinen Minimal-Klavierkompositionen wird das präparierte Instrument und seine Nahumgebung zur Welt für sich: Filz, Tasten und Hammermechanik bilden in ihrer...