Theater der Zeit

Magazin

Wegmarken des Denkens

Freddie Rokem: TheaterDenken. Begegnungen und Konstellationen zwischen Philosophen und Theatermachern. Neofelis Verlag, Berlin 2017, 287 S., 26 EUR.

von Bernhard Siebert

Erschienen in: Theater der Zeit: Theater ist kein Wettrennen – Barbara Frey am Schauspielhaus Zürich (01/2018)

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Einen Band voll von eigenwilligen Lektüren und brillanten Ideen gibt es jetzt endlich auf Deutsch: Freddie Rokems vor sieben Jahren erschienenes Buch „Philosophers and Thespians“ liegt unter dem Titel „TheaterDenken“ nun in der Übersetzung vor, wobei der doppelsinnige Untertitel „Thinking Performance“ zum Haupttitel geworden ist. Rokem, Professor emeritus für Theaterwissenschaft an der Universität Tel Aviv, errichtet darin Wegmarken für ein Gelände, das sowohl Theaterschaffende als auch die Philosophie für sich beanspruchen: den Bühnenraum des Denkens. Er geht diesem Interesse zunächst in einem ersten Teil mit der Untersuchung von vier „Begegnungen“ nach, die ihn von Platons „Symposion“ über Shakespeares „Hamlet“ (und dessen „Mausefalle“) zum Briefwechsel Nietzsche-Strindberg und schließlich zur Kafka-Diskussion von Walter Benjamin und Bertolt Brecht führt.

Diese letzte „Begegnung“ wird dann zur Schwelle für den zweiten Teil, in dem in zwei „Konstellationen“ an einer Skizze für Denken und Theater im Deutschland des Zweiten Weltkriegs gearbeitet wird. Rokem zeichnet eine Szene von Unfällen und Katastrophen, von Drohungen, aber auch von Versprechen für eine künftige Zeit. Und dann endet sein Buch abrupt, mitten in den Erläuterungen zu Benjamins „Denkbildern“. Die drei Punkte am Ende des allerletzten Absatzes weisen darauf hin, dass es mehr zu sagen gäbe: von da, wohin sich das europäische und globale Theater nach 1945 bewegt hat; und von dort, wohin sich der philosophische Diskurs international entwickelt hat. Freddie Rokems Betrachtungen zum Theaterhaften des Philosophischen und zum Philosophischen des Theaters gelangen hier an eine Grenze, die er sich selbst gesteckt hat, denn über den Zweiten Weltkrieg und die Schoah hinaus ist in diesem Buch zunächst nicht zu denken.

Sein Wunsch sei es, so schreibt Rokem in der Einleitung, die mit dieser Zeit einhergehenden „Veränderungen“ genauer in den Blick zu nehmen. Erst dann sei es ihm möglich, über die Ära nach dem Krieg zu sprechen. In der deutschen Ausgabe wird nun aber auch eine weitere Grenze durch das Schriftbild kenntlich gemacht, das darauf reagiert, dass Frauen aus dieser Studie fast gänzlich ausgenommen sind. Das bewusste Verfassen einer spezifisch männlichen Geschichte des Theater-Denkens im Präteritum spiegelt sich in Mayte Zimmermanns präziser theaterwissenschaftlicher, in enger Zusammenarbeit mit Rokem erstellter Übersetzung, in der Splitting und Gender-Gap-Asterisk je nach Situation gezielt eingesetzt bzw. weggelassen werden. Der Lektüre der Diskussionen und D’accords, der Szenen und Fälle, die sich in diesem Buch entfalten, ist das zuträglich, weil sich so erkennen lässt, wie Rokem seine Redefiguren aufs Spielbrett setzt und damit sein eigenes Denken in Szene. //

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