9. Interventionen zwischen den Zeiten
von Matthias Warstat
Erschienen in: Recherchen 174: Interventionen politischen Theaters (07/2025)
Im vorigen Kapitel war schon von Präfiguration die Rede, und es ergab sich der Eindruck, dass Interventionen nicht nur als ein räumliches In-hinein, sondern auch als eine Bewegung zwischen unterschiedlichen Zeiten bzw. zwischen Zukunftsvisionen und historischen Bezügen verstanden werden müssen. Um zu einem umfassenderen Verständnis künstlerischer Interventionen zu gelangen, muss die zeitliche Dimension des Intervenierens mitbedacht werden, denn gerade künstlerische Interventionen scheinen besondere Möglichkeiten zu eröffnen, andere Zeiten als die Gegenwart zu evozieren und ins Spiel zu bringen. Wesentlichen Anteil an diesen Möglichkeiten haben theatrale Mittel und Praktiken wie etwa Figurendarstellung, Kostümierung oder Szenografie, versprechen sie doch einen mimetischen Zugriff auf historische Kontexte genauso wie auf zukünftige Welten. Solche zeitlichen Dynamiken sollen im dritten Teil des Buches reflektiert werden. Einerseits scheinen sich, in Abhängigkeit vom gegebenen Kontext, bestimmte zeitliche Konstellationen und historische Bezüge fast zwangsläufig in die Interventionen einzuschreiben (vgl. dazu Kapitel 10), andererseits können die Interventionen selbst aktiv zwischen den Zeiten operieren – so etwa die Aktionen der israelischen Performancegruppe Public Movement, die in diesem Kapitel erörtert werden. Die Gruppe zählt, wie an den divergierenden Interpretationen von Oliver Marchart und Daphna Ben-Shaul gezeigt werden soll, zu jenen beliebten Beispielen, die immer wieder herangezogen werden, um Potenziale und Grenzen...