Dramatik
Schreiben, um nicht zu vergessen
Weibliche Dramatik zur Diktaturerfahrung in Chile
von Daniella Girardi, Isabel Sapiain und Gabriela González
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: Chile (09/2023)
Assoziationen: Südamerika Dramatik Dossier: Chile

Im Jahr 2020 begannen wir mit dem Projekt Dramaturgas Chilenas (Chilenische Dramatikerinnen), das versucht, zur Sichtbarkeit der Arbeit von Theaterautorinnen in unserem Land beizutragen. Zuerst erschien ein Podcast, dann eine Webseite, ein Buch und auch ein Register, das uns ermöglichte, 121 aktive Dramatikerinnen in ganz Chile ausfindig zu machen.
Drei Jahre später stellten wir fest, dass eines der Hauptanliegen dieser Autorinnen die Memoria (Erinnerung und die Erinnerungsarbeit) der Militärdiktatur ist. Die Dramatikerinnen berufen sich dabei auf die Erfahrungen aus dieser Zeit und ihre Folgen, die die heutige chilenische Gesellschaft prägen. Aus unserer Sicht geschieht die Auseinandersetzung mit der Memoria über verschiedene Ansätze und Materialsuchen, die wir versuchsweise in fünf Kategorien eingeteilt haben.
Neben ihrer Arbeit als Theaterautorinnen, haben Nona Fernández, Ximena Carrera, Gisselle Sparza und Claudia Hernández gemeinsam, dass sie in den Jahren vor dem Militärputsch geboren wurden. Das heißt, dass sie mit Restriktionen und Missbrauch der Pinochet-Tyrannei aufwuchsen. Deshalb führt ihr dramatisches Schreiben direkt in die Auseinandersetzung mit der Diktatur.
Bei ihrem Text „El taller“ (Die Werkstatt) aus dem Jahr 2012 geht Nona Fernández (Jahrgang 1971) von einer Literaturwerkstatt aus, die Mariana Callejas, Schriftstellerin und Agentin von Pinochets Geheimpolizei DINA in ihrem Haus abhielt, wo gleichzeitig gefoltert und gemordet...